11.01.2007 Verfahrensrecht

OGH: Bloß mittelbare Benachteiligung reicht zwar als Anfechtungsvoraussetzung iSd § 31 Abs 1 Z 2 2. Fall KO aus, diese muss aber für den Anfechtungsgegner zum Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses objektiv vorhersehbar gewesen sein


Schlagworte: Konkursrecht, Anfechtung, nachteiliges Rechtsgeschäft
Gesetze:

§ 31 Abs 1 Z 2 2. Fall KO

In seinem Erkenntnis vom 09.11.2006 zur GZ 6 Ob 72/06s hat sich der OGH mit dem nachteiligen Rechtsgeschäft iSd § 31 Abs 1 Z 2 2. Fall KO befasst:

Die Beklagte war die Hausbank der Gemeinschuldnerin. Deren materielle Insolvenz war der Beklagten bekannt. Die Beklagte kündigte sämtliche Kredite mit sofortiger Wirkung auf. Den aus dem ursprünglichen Kontokorrentkreditverhältnis aushaftenden Saldo buchte sie "aus verrechnungstechnischen Gründen" auf das neue Kontokorrentkreditkonto um. Gerichtliche Betreibungsmaßnahmen zum Hereinbringen der offenen Kreditforderungen setzte die Beklagte nicht. Auf Grundlage einer mündlichen Vereinbarung gestattete sie vielmehr der Gemeinschuldnerin, ihren Zahlungsverkehr auf dem ursprünglichen Kontokorrentkreditkonto - nunmehr auf Guthabensbasis - abzuwickeln. Ein Kreditrahmen war aber nicht mehr eingeräumt.

Der Kläger (Masseverwalter) ficht die faktische Aufrechterhaltung des Kontokorrentkreditverhältnisses zwischen der Beklagten und der Gemeinschuldnerin durch Stundung der bereits fällig gestellten Kreditsumme hinsichtlich der auf dem ursprünglichen Kontokorrentkreditkonto verbuchten Zahlungseingänge (begrenzt mit dem [ursprünglich vereinbarten] Kontokorrentkreditrahmen) an.

Dazu der OGH: Nach nunmehr stRsp stellt im Wege der erforderlichen wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung die Aufrechterhaltung des Kontokorrentkreditverhältnisses in der Krise des Gemeinschuldners das nach § 31 Abs 1 Z 2 2. Fall KO anfechtbare Rechtsgeschäft dar. Die Wiederausnützung des Kreditrahmens kann nicht vom Krediteröffnungsvertrag und dem Charakter des Kreditverhältnisses als Dauerschuldverhältnis gelöst werden. § 31 Abs 1 Z 2 1. Fall KO erfasst hingegen die Befriedigung des Gläubigers (Zahlung), also das Erfüllungsgeschäft. Von dieser Deckungsanfechtung (Gläubigertatbestand) ist die Anfechtung des Grundgeschäfts wegen Nachteiligkeit zu unterscheiden. Begründet wird diese Rechtsprechung damit, dass § 31 Abs 1 Z 2 2. Fall KO nicht nur die Anfechtung für die Gläubiger unmittelbar nachteiliger Rechtsgeschäfte ermöglichen soll; anfechtbar sollen nach dem Willen des (historischen) Gesetzgebers vielmehr auch mittelbar nachteilige Rechtsgeschäfte sein.

Unmittelbare Nachteiligkeit liegt vor, wenn die Leistung des Gemeinschuldners und die Gegenleistung des Gläubigers (Anfechtungsgegners) nicht äquivalent sind (etwa bei Unangemessenheit des Kaufpreises einer vom Gemeinschuldner verkauften Sache oder des Mietzinses eines vom Gemeinschuldner vermieteten Objekts). Bei der mittelbaren Nachteiligkeit liegt zwar die Äquivalenz bei Eingehen des angefochtenen Rechtsgeschäfts vor, ein danach eintretendes weiteres Ereignis bewirkt aber, dass die dem Gemeinschuldner erbrachte Leistung für die Masse nicht wirksam wird, die Gläubiger also dadurch einen Nachteil erleiden.

Im Hinblick auf einen in der Lehre bestehenden Meinungsstreit zur Frage der Anfechtbarkeit lediglich mittelbar nachteiliger Rechtsgeschäfte beschreitet der OGH einen Mittelweg. Danach reicht zwar bloß mittelbare Benachteiligung als Anfechtungsvoraussetzung aus, diese muss aber für den Anfechtungsgegner zum Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses objektiv vorhersehbar gewesen sein. Es soll nicht jedes Rechtsgeschäft mit dem in der Krise befindlichen späteren Gemeinschuldner als mittelbar nachteilig anfechtbar sein, weil gegen eine generelle Kontrahierungssperre die im § 69 Abs 2 KO normierte Befristung des Konkursantrags des Gemeinschuldners und die ihm eingeräumte Möglichkeit, ein Ausgleichsverfahren zu betreiben, sprechen.