17.05.2007 Verfahrensrecht

OGH: Ausführungen zur Unzumutbarkeit weiteren Zusammenlebens und dem Schutz vor Gewalt in der Familie iSd § 382b EO


Schlagworte: Exekutionsrecht, Gewalt in der Familie, Unzumutbarkeit, Psychoterror
Gesetze:

§ 382b EO

In seinem Beschluss vom 16.03.2007 zur GZ 6 Ob 16/07g hat sich der OGH mit dem Schutz vor Gewalt in der Familie befasst:

Die Klägerin beantragte die Erlassung einer einstweiligen Verfügung gemäß § 382b EO. Der Beklagte habe wiederholt angekündigt, wieder in die Ehewohnung zurückzukehren, um die Klägerin "fertig zu machen", "zur Sau zu machen" bzw ihr "die Hölle heiß zu machen", bis sie freiwillig ausziehe. Insgesamt übe der Beklagte gezielten psychischen Druck auf die Klägerin aus, um ihren Willen im Scheidungsverfahren zu brechen. Am 25. 7. 2006 sei der Beklagte tatsächlich wieder in die Wohnung eingezogen. Sofort nach dem Einzug habe er versucht, die Klägerin in eine Auseinandersetzung zu verwickeln und solcherart den angekündigten Psychoterror zu entfalten.

Dazu der OGH: Maßgeblich für die Beurteilung der Unzumutbarkeit weiteren Zusammenlebens nach § 382b EO sind Ausmaß, Häufigkeit und Intensität des die psychische Gesundheit beeinträchtigenden Verhaltens. Je massiver das dem Antragsgegner zur Last fallende Verhalten auf die körperliche und seelische Integrität des Opfers eingewirkt hat, je schwerwiegender die unmittelbaren Auswirkungen und die weiteren Beeinträchtigungen des Antragsgegners sind und je häufiger es zu solchen Vorfällen gekommen ist, desto eher wird unter den maßgeblichen Umständen des Einzelfalles von einer Unzumutbarkeit des weiteren Zusammenlebens auszugehen sein. Je leichtere Folgen das Verhalten des Antragsgegners gezeitigt hat, je länger es - ohne weitere einschlägige "Vorkommnisse" - zurückliegt und je mehr sich der Antragsgegner in der Folge bewährt hat, desto eher wird man hingegen dem betroffenen Ehegatten das weitere Zusammenleben zumuten können. Von Bedeutung ist allerdings stets nicht ein Verhalten, das der Durchschnittsmensch als "Psychoterror" empfände, sondern die Wirkung eines bestimmten Verhaltens gerade auf die Psyche des Antragstellers. Die Wegweisung darf jedoch in keinem Fall eine unangemessene Reaktion auf das Verhalten des Antragsgegners sein.

Die bloße nicht näher differenzierte Bezeichnung eines bestimmten Verhaltens als "Psychoterror" erübrigt nicht eine Auseinandersetzung mit dem Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 382b Abs 1 EO. Nach dieser Bestimmung rechtfertigt nicht die Ausübung von "Psychoterror" schlechthin die Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach der zitierten Gesetzesstelle, sondern nur dann, wenn dadurch die psychische Gesundheit des Antragstellers erheblich beeinträchtigt wird. Bei der Prüfung des Vorliegens einer erheblichen Beeinträchtigung im Sinne des Gesetzes ist nicht die Empfindung eines Durchschnittsmenschens, sondern die konkrete Wirkung eines bestimmten Verhaltens gerade auf die Psyche des Antragstellers wesentlich.

Die mit einem Scheidungsverfahren üblicherweise verbundenen Auseinandersetzungen und die daraus allenfalls resultierende nervliche Belastung ist jedenfalls noch keine erhebliche Beeinträchtigung der psychischen Gesundheit. Würde man eine einstweilige Verfügung auch in einem Sachverhalt wie dem vorliegenden erlassen, würde die Ausnahmeregelung des § 382b Abs 1 EO zu einer Routinemaßnahme in einem Großteil aller Scheidungsverfahren, zumal nach den Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen es auch regelmäßig zu Beleidigungen des Beklagten von Seiten der Klägerin kommt.