14.06.2007 Verfahrensrecht

OGH: Der Antrag der Pflichtteilsberechtigten, Konten des Erblassers, die dem Verlassenschaftsgericht bereits bekannt sind, rückwirkend vom Todestag zu öffnen, ist zulässig; das in § 38 BWG verankerte Bankgeheimnis steht dem nicht entgegen


Schlagworte: Außerstreitrecht, Erbrecht, Inventar, Bankgeheimnis
Gesetze:

§§ 165 f AußStrG, §§ 531 ff ABGB, § 38 BWG

In seinem Beschluss vom 18.04.2007 zur GZ 7 Ob 292/06a hat sich der OGH mit dem Erbrecht und dem Bankgeheimnis befasst:

Mit Antrag vom 21. 3. 2006 begehrten die erblasserischen Töchter, insgesamt neun näher bezeichnete und von der Witwe (Alleinerbin) dem Verlassenschaftsgericht bekannt gegebene Konten des Erblassers bei zwei inländischen Kreditinstituten, deren Kontostand zum Todestag des Erblassers bereits aktenkundig sei, "vom Todestag, den 14. 5. 2000 rückwirkend bis zum 1. 5. 1999 zu öffnen". Die Öffnung der vorliegenden Konten ergebe die Möglichkeit, anhand der erfolgten Überweisungen von Zinserträgen veranlagte Werte der Höhe nach zu ermitteln und so das tatsächlich vorhandene erblasserische Vermögen festzustellen.

Dazu der OGH: Ein (wie hier) Pflichtteilsberechtigter hat das Recht, die Errichtung eines Inventars zu verlangen (§ 804 ABGB), dient doch die Inventur gemäß § 784 ABGB auch dazu, den Pflichtteil richtig ausmessen zu können - dem Pflichtteilsberechtigten ist auch die Möglichkeit zur Stellung von Anträgen zur Ermittlung des Vorhandenseins und des Umfanges eines vom ursprünglichen Inventar noch nicht umfassten Vermögens des Erblassers eingeräumt, um sich so (unvorgreiflich eines späteren Pflichtteilsprozesses) die Grundlagen für die Berechnung seines Pflichtteils zu verschaffen und schon in diesem Stadium des Verfahrens einer allfälligen Verkürzung seiner Rechte vorbeugen zu können.

Gem § 38 Abs 2 Z 3 BWG besteht die Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses nicht "im Falle des Todes des Kunden gegenüber dem Abhandlungsgericht und Gerichtskommissärs"; die solcherart statuierte Auskunftspflicht der Kreditinstitute bei Anfragen des Abhandlungsgerichts oder Gerichtskommissärs ist nach herrschender Meinung zum Todestag des Erblassers (Kunden) als dem für die Nachlassbewertung maßgeblichen Zeitpunkt (§ 166 Abs 1 AußStrG) eingeschränkt, sodass Abflüsse aus Konten bereits vor dem Todestag grundsätzlich unberücksichtigt zu bleiben haben. Die Auskunftspflicht eines Kreditinstituts in Bezug auf ein dem Erblasser gehöriges Konto muss sich zwar nicht auf die Bekanntgabe des Kontostandes am Todestag beschränken; Auskunft kann jedoch nur über Kontobewegungen nach dem Tod des Kontoinhabers verlangt werden, wenn dies zur Ermittlung des Vermögens des Verstorbenen am Todestag notwendig ist. Die Nachforschungspflicht des Gerichtskommissärs bezieht sich auf alle Sachen, die im Eigentum des Erblasser standen und auch auf die, die zumindest in seiner Gewahrsame waren. Das Recht des Abhandlungsgerichts auf Anfragen bei Kreditinstituten über vorhandene Konten besteht nur soweit, als dies zur Aufklärung über das in den Nachlass fallende Vermögen erforderlich ist. Von diesem Auskunftsrecht des Abhandlungsgerichts bzw Gerichtskommissärs zu unterscheiden ist allerdings das Auskunftsrecht des ruhenden Nachlasses (vertreten durch die Erben oder einen Verlassenschaftskurator), der Erben und allfälliger Legatare sowie der Gläubiger, denen nach § 154 AußStrG die Aktiven überlassen worden sind. Alle diese Auskunftsrechte leiten sich nämlich vom Auskunftsrecht des Erblassers ab, wobei ihr Umfang nach der Stellung des Auskunftsberechtigten unterschiedlich ist: Der Verlassenschaft und dem Erben als Universalsukzessor steht es in dem Umfang und unter den gleichen Voraussetzungen zu, wie es der Erblasser hatte; bei Legataren und bei den genannten Gläubigern ist das Auskunftsrecht auf die Umstände beschränkt, die mit den vermachten bzw überlassenen Vermögensobjekten derart verknüpft sind, dass der Legatar bzw Gläubiger zur Verfolgung seiner Rechte über sie Bescheid wissen muss. Dem Kunden gegenüber ist ein Kreditinstitut jederzeit zur Auskunft über die Einzelheiten der Geschäftsbeziehung nach bürgerlichem Recht verpflichtet. Der der Geschäftsbeziehung zugrundeliegende Vertrag erlischt nicht mit dem Tod.

Die vorliegendenfalls von den pflichtteilsberechtigten Töchtern angestrebte Anfrage dient genau einer solchen Nachforschung. Der Erblasser hätte ein Recht auf Bekanntgabe der Kontobewegungen auf seinen Konten. Der Antrag dient der (nach dem Vorgesagten zulässigen) Erforschung, ob weitere Vermögenswerte im Besitz des Erblassers zum Todeszeitpunkt stehen, und zwar mit den Mitteln, die dem Erblasser und damit der Verlassenschaft zustehen. Hiegegen kann sohin das in § 38 BWG verankerte Bankgeheimnis nicht zielführend ins Treffen geführt werden.