28.06.2007 Verfahrensrecht

OGH: Der Masseverwalter haftet für den Kostenschaden des Gegners bei einem erfolglosen Aktivprozess einer unzulänglichen Masse nicht nach § 81 Abs 3 KO, sondern nur nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen, somit nach § 1295 Abs 2 ABGB


Schlagworte: Konkursrecht, Schadenersatzrecht, Haftung des Masseverwalters, aussichtslose Klage, Prozesskosten, Massearmut
Gesetze:

§ 1295 Abs 2 ABGB, § 81 Abs 3 KO

In seinem Erkenntnis vom 18.04.2007 zur GZ 8 Ob 3/07k hat sich der OGH mit der Frage befasst, unter welchen Voraussetzungen ein Masseverwalter seinem obsiegenden Prozessgegner bei Massearmut persönlich für die Prozesskosten haftet:

Der Kläger (Rechtsanwalt) begehrt der Höhe nach unstrittige 7.341,50 EUR sA. Dem Beklagten (Masseverwalter) sei im Hinblick auf die später auch kundgemachte Masseunzulänglichkeit von Beginn an klar gewesen, dass die Masse im Fall des Prozessverlustes nicht in der Lage sein würde, dem Kläger Prozesskostenersatz zu leisten. Aus diesen Gründen hafte der Beklagte für die dem Kläger zugesprochenen Prozesskosten persönlich. Der Beklagte habe durch die Einbringung einer von Anfang an aussichtslosen Klage ohne Deckung durch entsprechende Massemittel dem Kläger einen Schaden zugefügt, weil die dem Kläger rechtskräftig zugesprochenen Kosten uneinbringlich seien.

Dazu der OGH: Es entspricht der herrschenden Ansicht in Lehre und Rechtsprechung, dass die in § 81 Abs 3 KO normierte Haftung des Masseverwalters für die durch eine pflichtwidrige Führung seines Amtes verursachten Vermögensnachteile der Beteiligten nur dann eingreift, wenn der Masseverwalter konkursspezifische Pflichten verletzt. § 81 Abs 3 KO soll bloß vor jenen Risken schützen, die durch die in der KO geregelten umfassenden Befugnisse des Masseverwalters für die Beteiligten entstehen. Es ist somit Schutz gegenüber jenen Gefahren zu gewähren, die für die Beteiligten in typischer Weise mit der Masseverwaltung verbunden sind. Eine "konkursspezifische Pflicht", also eine in der KO verankerte Pflicht, die Interessen eines Prozessgegners der Masse in besonderer, über die allgemeinen Vorschriften hinausgehender Weise zu wahren, ist nicht ersichtlich. Die Verletzung von Pflichten, die den Masseverwalter wie jeden anderen Teilnehmer im Geschäftsverkehr gegenüber Dritten oder Geschäftspartnern oder beim Vertragsabschluss treffen, lösen keine Haftung gem § 81 Abs 3 KO, sondern allenfalls eine Haftung nach allgemeinen Grundsätzen aus.

Grundsätzlich haftet der jeweilige Kläger seinem Gegner außerhalb der schon im Verfahrensrecht vorgesehenen Sanktionen nicht deliktisch für die Folgen einer nur fahrlässigen Fehleinschätzung der Rechtslage. Das gilt auch für den Masseverwalter und die von ihm geführten Aktivprozesse. Allerdings ist bei Beurteilung, ob die Voraussetzungen des § 1295 Abs 2 ABGB vorliegen, die besondere Lage des Masseverwalters einer unzulänglichen Konkursmasse nicht außer Acht zu lassen. Ist bei der gebotenen ex-ante-Betrachtung unter Berücksichtigung aller Umstände des Falls davon auszugehen, dass ein pflichtgemäß handelnder Masseverwalter von der Einleitung des Aktivprozesses Abstand genommen hätte, hätte er über eine Masse verfügt, die den gegnerischen Kostenersatzanspruch deckt, stellt die Führung eines Aktivprozesses bei Massearmut grundsätzlich ein die Schadenersatzpflicht auslösendes Verhalten iSd § 1295 Abs 2 ABGB dar. In diesem Fall haftet der Masseverwalter somit nicht nur bei "absoluter" Aussichtslosigkeit der Führung des Aktivprozesses, sondern bereits dann, wenn er bei sorgfältiger Prüfung der Sach- und Rechtslage zum Ergebnis gelangen konnte, dass ein Prozesserfolg im Aktivprozess mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen ist.