29.11.2007 Verfahrensrecht

OGH: Zur Bindungswirkung einer Vorentscheidung

Eine Bindungswirkung einer Vorentscheidung ist nur dann anzunehmen, wenn sowohl die Identität der Parteien als auch des rechtserzeugenden Sachverhalts gegeben sind, aber anstelle der inhaltlichen und wörtlichen Identität der Begehren ein im Gesetz gegründeter Sachzusammenhang zwischen beiden Begehren besteht


Schlagworte: Erkenntnisverfahren, materielle Rechtskraft, Bindungswirkung, Bindung an Vorfragen
Gesetze:

§ 530 Abs 1 Z 6 ZPO

GZ 7 Ob 115/07y, 29.08.2007

Ein Mieter vereinbarte mit dem ursprünglichen Vermieter die Zahlung eines einmaligen "Finanzierungsbeitrages" iHv S 100.000. Nach Bezahlung von S 50.000, bezahlte der Mieter S 70.000 aufgrund eines vom ursprünglichen Vermieter erwirkten rechtskräftigen Zahlungsbefehls. Der Mieter klagt nun aus dem Titel der Bereicherung den neuen Vermieter auf Zahlung von S 120.000

OGH: Eine Bindungswirkung einer Vorentscheidung ist nur dann anzunehmen, wenn sowohl die Identität der Parteien (diese kann auch bei Gesamt- oder Einzelrechtsnachfolge bejaht werden) als auch des rechtserzeugenden Sachverhalts gegeben sind, aber anstelle der inhaltlichen und wörtlichen Identität der Begehren ein im Gesetz gegründeter Sachzusammenhang zwischen beiden Begehren besteht; ein solcher ist anzunehmen, wenn die Entscheidung über den neuen Anspruch vom Inhalt der bereits rechtskräftig entschiedenen Streitsache abhängig ist oder wenn das Begehren das begriffliche Gegenteil des rechtskräftig entschiedenen Anspruchs darstellt.

Hinsichtlich des den Zahlungsbefehl übersteigenden Teils des Klagebegehrens kommt eine Bindungswirkung nicht in Betracht, da eine Bindungswirkung nur an die im Vorprozess entschiedene Hauptfrage, nicht aber an eine dort beurteilte Vorfrage zu bejahen ist.

Hinsichtlich des dem Zahlungsbefehl der Höhe nach entsprechenden Teiles des Klagebegehrens ist eine Bindungswirkung im vorliegenden Rechtsstreit zu verneinen. Zwar ist der neue Vermieter in den zwischen dem Kläger und dem ursprünglichen Vermieter geschlossenen Mietvertrag eingetreten; an Nebenabreden ist er aber nur gebunden, soweit sie mit dem Inhalt des Bestandvertrages zusammenhängen und nicht bloß "gelegentlich" im Vertrag vereinbart werden. Daher ist etwa der Anspruch auf Rückzahlung einer bei Abschluss des Bestandvertrages geleisteten Barkaution gegen den Erwerber durchzusetzen. Nach dem Prozessvorbringen des Klägers geht es hier aber nicht um die Rückforderung einer vom (ehemaligen oder späteren) Vermieter zu Unrecht einbehaltenen Barkaution, sondern der Kläger macht ausdrücklich einen Bereicherungsanspruch infolge Nichtigkeit einer seiner Ansicht nach verbotenen Ablöse geltend. Die mit dem Vermieter getroffene und nunmehr bekämpfte Vereinbarung über die Zahlung von 120.000 S kann daher nicht als eine Nebenabrede des Mietvertrages qualifiziert werden, in die der Käufer des Mietobjekts von Gesetzes wegen eintritt.