17.01.2008 Verfahrensrecht

OGH: Zur Abgrenzung der internationalen Zuständigkeit nach Art 8 Brüssel IIa-VO von Art 9 Brüssel IIa-VO

Art 9 Brüssel IIa-VO setzt im Unterschied zu Art 8 Brüssel IIa-VO nicht die Anhängigkeit eines Verfahren beim Aufenthaltswechsel voraus, sondern setzt eine - auf Grund eines bereits vor dem Umzug gestellten Antrags - ergangene Entscheidung eines Gerichts im bisherigen Aufenthaltsstaat des Kindes zum Besuchsrecht voraus


Schlagworte: Erkenntnisverfahren, Besuchsrecht, internationale Zuständigkeit, Umzug, maßgeblicher Zeitpunkt, perpetuatio fori
Gesetze:

Art 8 Brüssel IIa-VO, Art 9 Brüssel IIa-VO

GZ 3 Ob 213/07f, 23.10.2007

Die Mutter stellt einen Antrag bei dem nach Art 8 Brüssel IIa-VO zuständigen Gericht. Während des laufenden Verfahrens stellte die Mutter, die mit dem Kind nach Deutschland ungezogen ist, den Antrag, das Erstgericht möge seine Unzuständigkeit aussprechen und die Rechtssache an das zuständige Gericht in Deutschland übertragen.

OGH: Gemäß Art 8 Brüssel IIa-VO sind die Gerichte des Mitgliedstaates des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes zuständig. Maßgeblich für die Bestimmung der Zuständigkeit ist der Zeitpunkt der Antragstellung. Diese Zuständigkeit besteht nach der Grundregel des Art 8 Brüssel IIa-VO trotz des späteren Umzugs des Kindes in einen anderen Mitgliedstaat für das bereits anhängige Verfahren fort ("perpetuatio fori"). Der neu begründete Aufenthalt in Deutschland würde zwar nach Art 8 Brüssel IIa-VO eine Zuständigkeit dort eröffnen, einem Verfahren in Deutschland steht jedoch die Rechtsanhängigkeit des Verfahrens vor dem Erstgericht entgegen.

Im Unterschied zu Art 8 Brüssel IIa-VO knüpft Art 9 Brüssel IIa-VO nicht an die Anhängigkeit eines Verfahren beim Aufenthaltswechsel an, sondern setzt eine - auf Grund eines bereits vor dem Umzug gestellten Antrags - ergangene Entscheidung eines Gerichts im bisherigen Aufenthaltsstaat des Kindes zum Besuchsrecht voraus. Die fortdauernde Zuständigkeit soll in diesem Fall gegeben sein, um dem ehemaligen Aufenthaltsgericht noch die Änderung der zuvor erlassenen Besuchsrechtsentscheidung - etwa im Hinblick auf den Umzug des Kindes in den anderen Mitgliedstaat - zu ermöglichen. Art 9 Brüssel IIa-VO gilt somit nicht für Besuchsrechtsentscheidungen, die auf Grund der "perpetuatio fori" nach Art 8 Brüssel IIa-VO trotz des Umzugs und unbeschadet einer damit gegebenenfalls ausgelösten Verlagerung des Aufenthalts noch ergehen können.