14.02.2008 Verfahrensrecht

OGH: Schutzzweck des § 69 Abs 2 KO und des § 159 StGB

Der Schutzzweck der §§ 159 StGB und 69 Abs 2 KO besteht vor allem darin, insolvente Gesellschaften aus dem Rechtsverkehr zu ziehen und daher jene zu schützen, die sich sonst mit dieser Gesellschaft nicht einlassen würden; Neugläubiger und Neugesellschafter ist der Vertrauensschaden zu ersetzen


Schlagworte: Konkursverfahren, Bindung an rechtskräftiges Strafurteil, Schutzzweck, Vertrauensschaden, Mitverschulden
Gesetze:

§ 69 KO, § 159 StGB, § 1304 ABGB

GZ 1 Ob 134/07y, 22.10.2007

Die beklagte Partei wurde des Vergehens der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 159 Abs 2, Abs 4 Z 2 StGB schuldig erkannt. Der Kläger begehrt die Rückzahlung eines Darlehens, das dem Beklagten gewährt wurde. Dieser wandte ua ein, der Kläger sei in genauer Kenntnis der schlechten wirtschaftlichen Situation der GmbH gewesen.

OGH: Gemäß § 69 KO trifft die organschaftlichen Vertreter juristischer Personen die Verpflichtung, bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Konkurseröffnung ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber 60 Tage nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit, die Eröffnung des Konkursverfahrens zu beantragen. Voraussetzungen für diese Pflicht ist die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners. Der Begriff der Zahlungsunfähigkeit wird sowohl im § 69 KO als auch im § 159 StGB gleich ausgelegt. Diese liegt vor, wenn ein Schuldner nicht im Stande ist, alle fälligen Schulden bei redlicher wirtschaftlicher Gebarung in angemessener Frist zu begleichen. Da nach dem Strafurteil Zahlungsunfähigkeit vorlag und der Zivilrichter keine vom Strafurteil abweichenden Feststellungen über den Nachweis der strafbaren Handlung, ihre Zurechnung und den Kausalzusammenhang zwischen der strafbaren Handlung und ihren Folgen treffen darf, steht bindend fest, dass ab der Gründung der GmbH deren Zahlungsunfähigkeit vorlag.

§ 159 StGB und § 69 Abs 2 KO stellen Schutzgesetze iSd § 1311 ABGB zu Gunsten aller durch die nicht rechtzeitige Konkurseröffnung geschädigten Gläubiger dar. Der Schutzzweck der §§ 159 StGB und 69 Abs 2 KO besteht va darin, insolvente Gesellschaften aus dem Rechtsverkehr zu ziehen und daher jene zu schützen, die sich sonst mit dieser Gesellschaft nicht einlassen würden. Dementsprechend ist dem Neugläubiger stets der Vertrauensschaden zu ersetzen. Die Auffassung, dass Neugläubigern bei Konkursverschleppung der Vertrauensschaden zu ersetzen sei, ist auch auf Neugesellschafter, die durch den erstmaligen Erwerb von Geschäftsanteilen einer insolventen GmbH einen Vermögensschaden erleiden, zu übertragen.

Ein allfälliges Mitverschulden iSd § 1304 ABGB ist zu berücksichtigen. Ein Mitverschulden ist dann anzunehmen, wenn bei Vertragsabschluss für den Gläubiger erkennbare Umstände vorgelegen haben, die die Forderung gegen die Gesellschaft als gefährdet erscheinen lassen mussten. Mitverschulden sollte jedoch erst bei ins Auge fallenden Umständen oder bei besonderen Kenntnissen des Gläubigers über die Lage der GmbH in Betracht kommen.