10.04.2008 Verfahrensrecht

OGH: Vorkaufsberechtigter und Verkäufer bilden keine "einheitliche Streitgenossenschaft" iSd § 14 ZPO

Klagt der Drittkäufer den Vorkaufsberechtigten auf Feststellung, dass das Vorkaufsrecht erloschen ist, bilden der Vorkaufsberechtigte und der Vorkaufsverpflichtete keine notwendige Streitgenossenschaft iSd § 14 ZPO


Schlagworte: Erkenntnisverfahren, einheitliche Streitpartei, obligatorisches Recht, Vorkaufsberechtigter, Verkäufer
Gesetze:

§ 14 ZPO, § 1072 ABGB

GZ 10 Ob 76/07k, 18.12.2007

Der Drittkäufer klagt den Vorkaufsberechtigten auf Feststellung, dass das Vorkaufsrecht erloschen ist. Nach Auffassung des Berufungsgerichts bilden der Vorkaufsberechtigte einer Liegenschaft und deren Verkäufer eine "einheitliche Streitgenossenschaft" iSd § 14 ZPO, da das Urteil, mit dem festgestellt werde, ob das Vorkaufsrecht zu Recht ausgeübt worden sei oder nicht, für beide Vertragspartner zwingend gleich lauten müsse.

OGH: Eine "einheitliche Streitpartei" liegt gemäß § 14 erster Satz ZPO dann vor, wenn sich die Wirkung des zu fällenden Urteiles kraft der Beschaffenheit des streitigen Rechtsverhältnisses oder kraft gesetzlicher Vorschrift auf sämtliche Streitgenossen erstreckt. Ein Fall einer einheitlichen Streitpartei ist (auch) dann gegeben, wenn es das materielle Recht gebietet, die Klage für oder gegen alle übrigen Partner zu erheben (notwendige Streitgenossenschaft). Das ist dann der Fall, wenn für sämtliche Streitgenossen aus der Einheitlichkeit des rechtserzeugenden Sachverhaltes ein allen Streitgenossen gemeinsames Begehren abgeleitet wird oder wenn die Kläger nur gemeinschaftlich über den strittigen Anspruch verfügen können oder wenn das allen Streitgenossen gemeinschaftliche Rechtsverhältnis seiner Natur nach nur gegen alle oder für alle einheitlich festgestellt oder gestaltet werden kann. Bei dinglichen Ansprüchen folgt schon aus der Natur des Anspruches, dass sie grundsätzlich nur einheitlich festgestellt werden können. Bei obligatorischen Rechten hat die Beteiligung mehrerer Parteien zwar nicht in jedem Fall eine notwendige Streitgenossenschaft zur Folge; sie ist aber auch bei schuldrechtlichen Verhältnissen nicht ausgeschlossen. Im Zweifel ist sie dann anzunehmen, wenn wegen Nichterfassung aller Beteiligten die Gefahr unlösbarer Verwicklungen durch divergierende Einzelentscheidungen besteht. Aus der Beanspruchung desselben Gegenstandes durch verschiedene Kläger aus verschiedenen Sachverhalten resultiert allerdings keine einheitliche Streitpartei, weil bei einem Streit um das "bessere Recht" das Ergebnis bei jedem Anspruchswerber ein anderes sein kann.

§ 1072 ABGB versteht unter dem Vorkaufsvorbehalt einen Nebenvertrag zum Kaufvertrag, durch welchen sich der Käufer schuldrechtlich verpflichtet, das Kaufobjekt vor Veräußerung an einen anderen dem Verkäufer zur Einlösung anzubieten. Der Begünstigte erhält dadurch das (an seine Person gebundene) Gestaltungsrecht, ein Vertragsverhältnis durch einseitige Erklärung ohne Mitwirkung der Gegenseite zustande zu bringen. Mit anderen Worten steht dem Vorkaufsberechtigten dann, wenn im Verhältnis zwischen dem Eigentümer und dem potenziellen Käufer zumindest eine bindende Vertragsofferte vorliegt, die Option offen, ohne weitere Einflussmöglichkeit und ohne weiteres Tätigwerden des Eigentümers und des potenziellen Käufers an dessen Stelle zu treten. Etwaige weitere Verträge zwischen dem Eigentümer und dem Vorkaufsberechtigten haben auf die Frage der Einlösung keinen Einfluss. Eine Notwendigkeit, dass in einen Prozess über die Frage, ob eine wirkliche Einlösung erfolgt ist oder nicht, jedenfalls alle drei beteiligten Personen einzubeziehen sind, besteht auf dieser Grundlage nicht. Auch das nicht zu verkennende Interesse des Eigentümers zu wissen, wer nun sein Vertragspartner ist, von wem er Zahlung erlangt etc, vermag für sich allein eine zwingende Parteistellung in einem solchen Verfahren nicht herbeizuführen.