10.04.2008 Verfahrensrecht

OGH: Kein Schadenersatzanspruchs nach § 408 ZPO für Verhalten vor dem gerichtlichen Verfahren

§ 408 Abs 1 ZPO und sein materiellrechtlicher Inhalt decken nur die mutwillige Prozessführung vor Gericht ab, nicht aber das Verhalten vor dem gerichtlichen Verfahren


Schlagworte: Mutwillige Prozessführung, Schadenersatz, Kostenersatzpflicht, Verschulden, Beweislast
Gesetze:

§ 408 ZPO, §§ 1293 ABGB

GZ 10 ObS 142/07s, 18.12.2007

Die klagende Partei begehrt Schadenersatz für mutwillige Prozessführung, sie leitet ihren Ersatzanspruch allerdings nicht (allein) aus dem Prozessverhalten der beklagten Partei ab, sondern kombiniert dieses mit dem mutwilligen Verhalten im Verwaltungsverfahren vor Einbringung der Säumnisklage.

OGH: § 408 ZPO gibt dem Gericht die Befugnis, im Zusammenhang mit offenbar mutwilliger Prozessführung über den eigentlichen Streitgegenstand hinaus auch über Schadenersatzansprüche aus der Durchsetzung des Rechtsschutzbegehrens zu erkennen. Somit kann der Bestimmung ein doppelter Zweck unterstellt werden: Sie schützt gegen mutwillige Inanspruchnahme der Zivilgerichte und erledigt zudem den Streitfall auch bezüglich der schadenersatzrechtlichen Folgen. Hintergrund ist also, dass dem durch die mutwillige Prozessführung Geschädigten bei Vorliegen der in § 408 ZPO angesprochenen Konstellation die Rechtsverfolgung erleichtert wird. Die Bestimmung schafft keinen neuen Schadenersatzanspruch, sondern setzt Schadenersatzansprüche nach bürgerlichem Recht voraus. Der Inhalt des Anspruchs richtet sich daher nach den §§ 1293 ff ABGB. Außer einem Antrag nach § 408 Abs 1 ZPO kann der durch mutwillige Prozessführung Geschädigte seinen Schaden daher auch mit selbständiger Klage geltend machen.

Der Wortlaut des § 408 Abs 1 ZPO und sein materiellrechtlicher Inhalt decken nur die mutwillige Prozessführung vor Gericht ab, nicht aber das Verhalten vor dem gerichtlichen Verfahren.

Inhaltliche Voraussetzungen sind der Prozesserfolg der siegreichen Partei und eine offenbar mutwillige Prozessführung der unterlegenen Partei. Mutwillen setzt immer das Bewusstsein der Unrichtigkeit des bezogenen Rechtsstandpunkts mit ein, so dass gutgläubige Prozessführung einen Ersatzanspruch nach § 408 ZPO ausschließt. Gutgläubige, wenn auch unrichtige Prozessführung trägt nur das Kostenrisiko in sich: Das Recht jedes Staatsbürgers, bei Meinungsverschiedenheiten die Hilfe der Gerichte in Anspruch zu nehmen, darf nicht mit einer abschreckenden Verantwortlichkeit für die Rechtsverteidigung belastet werden. Wer einen gegen ihn erhobenen Anspruch aus sachlichen Gründen bestreitet, handelt nicht schuldhaft. Seine Prozessführung zieht daher nur die Gefahr der Kostenersatzpflicht nach sich. Eine Schadenersatzpflicht der unterlegenden beklagten Partei ist somit nur gegeben, wenn sie bei gehöriger Aufmerksamkeit die Aussichtslosigkeit ihrer Prozessführung hätte erkennen können. Die Bestreitung muss also wider besseres Wissen oder unter Außerachtlassung der gebotenen Sorgfalt geschehen.

Bei der Beurteilung der Verschuldensfrage ist ein strenger Maßstab anzulegen. Die gutgläubige Anrufung des Gerichtes wird vermutet. Die klagende Partei muss also konkret beweisen, dass die beklagte Partei das Fehlen der tatsächlichen Voraussetzungen für ihreBestreitung oder die Unhaltbarkeit ihres Rechtsstandpunktes gekannt hat oder zumindest hätte kennen müssen.