29.05.2008 Verfahrensrecht

OGH: Staatshaftungsanspruch bei (behauptetem) gemeinschaftsrechtswidrigem Gesetzesentwurf - Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte ?

Wird ein Staatshaftungsanspruch damit begründet, dass ein Bundesminister einen gemeinschaftsrechtswidrigen Gesetzesentwurf erstellt habe, der jedoch nicht Gesetz geworden sei, so sind dafür die ordentlichen Gerichte zuständig


Schlagworte: Staatshaftungsanspruch, Zuständigkeit, gemeinschaftsrechtswidriger Gesetzesentwurf
Gesetze:

§ 1 AHG, § 1 JN, Art 137 B-VG

GZ 1 Ob 228/07x, 29.01.2008

Die Klägerin begehrte mit einer auf die gemeinschaftsrechtliche Staatshaftung gestützten Klage 25.000 EUR samt Zinsen. Der zuständige Bundesminister habe in einem Gesetzesentwurf eine Novellierung des Weingesetzes angestrebt, die im Widerspruch zum gemeinschaftsrechtlich gewährleisteten freien Warenverkehr gestanden wäre. Die Klägerin als Weinexporteurin und ihre deutschen Abnehmer hätten sich angesichts der drohenden Novelle auf keine Jahresverträge einlassen können, weil die mit einem allfälligen Gesetzesverstoß verbundenen Nachteile für sie den wirtschaftlichen Ruin bedeutet hätten. Es seien daher keine Lieferverträge zustande gekommen, weshalb der Umsatz des Unternehmens der Klägerin eingebrochen sei. Es sei ein den Klagebetrag erheblich übersteigender Schaden entstanden. Da die Unvereinbarkeit des Inhalts des Gesetzesentwurfs mit dem Gemeinschaftsrecht offenkundig gewesen und damit eine vertretbare Rechtsansicht nicht vorgelegen sei, lägen die Voraussetzungen für einen Staatshaftungsanspruch vor, auch wenn der Entwurf letztlich nicht Gesetz geworden sei. Dieser Staatshaftungsanspruch sei im ordentlichen Rechtsweg geltend zu machen.

OGH: Vorerst geht es ausschließlich um die Frage der Zulässigkeit des Rechtswegs, für die nicht entscheidend ist, ob der behauptete Anspruch überhaupt besteht. Gerade in Fällen, in denen sich ein geltend gemachter Anspruch, etwa ein Staatshaftungsanspruch, als unberechtigt erweisen sollte, kann die Frage, auf welchem verfahrensrechtlichen Weg und vor welcher Behörde dieser Anspruch geltend zu machen ist, oft schwer zu beantworten sein. Die Zulässigkeit des (streitigen) Rechtswegs kann aber nicht allein mit dem Argument verneint werden, es liege ein der Gesetzgebung zuzurechnendes Verhalten eines Verwaltungsorgans vor, das nach der Judikatur des OGH einen Amtshaftungsanspruch nicht begründen könne und darüber hinaus als "legistisches Unrecht" zu qualifizieren sei. Zutreffend weist die Revisionsrekurswerberin darauf hin, sie müsse befürchten, beim VfGH an der Frage der Zuständigkeit zu scheitern, weil dieser die Ansicht vertreten könnte, das hier zu beurteilende Handeln des Bundesministers sei dem Gesetzgeber nicht zuzurechnen. In seinen Äußerungen zur Abgrenzung der Zuständigkeit für die Geltendmachung von Staatshaftungsansprüchen hat der VfGH auch nicht darauf abgestellt, ob das behauptete gemeinschaftsrechtswidrige staatliche Fehlverhalten in weitestem Sinne der Gesetzgebung zuzuordnen ist, sondern seine Zuständigkeit vielmehr auf "legislatives Unrecht" beschränkt, das unmittelbar dem Gesetzgeber zuzurechnen sei (vgl nur VfGH A 23/00 = VfSlg 16.107 und die Folgejudikatur). Darüber hinaus formulierte er in dieser Entscheidung, die Amtshaftungsgerichte seien dagegen grundsätzlich immer dann zuständig, wenn der Kläger seinen Anspruch auf eine Verletzung des Gemeinschaftsrechts stützt, die "er der Vollziehung zurechnet". Ob mit dieser Formulierung tatsächlich der Qualifikation staatlichen Handelns durch den Kläger gegenüber einer objektiven Beurteilung besondere Bedeutung zugemessen werden soll, ist aus der Begründung des VfGH nicht wirklich ersichtlich, doch ist immerhin zu bedenken, dass der österreichische Gesetzgeber jegliche Regelung der "Zuständigkeit" für Staatshaftungsansprüche trotz des im hohen Maße vorhandenen Klarstellungsbedarfs unterlassen hat. Auch unter diesem Aspekt erscheint es durchaus gerechtfertigt, der vom Anspruchsteller vorgenommenen Qualifikation in jenen Fällen besondere Bedeutung beizumessen, in denen sich der (objektiv) richtige Verfahrensweg auch aus der bisherigen Judikatur des VfGH nicht ableiten lässt.

Im vorliegenden Fall ist der Klägerin zuzugestehen, dass nach ihren Behauptungen der angeblich schadenstiftende Gesetzesentwurf noch nicht in das eigentliche Gesetzgebungsverfahren "vorgedrungen" war, sodass eine Zuständigkeit des VfGH für den geltend gemachten Staatshaftungsanspruch, der diese nur bei "unmittelbar" dem Gesetzgeber zuzurechnendem "legislativem Unrecht" in Anspruch nimmt, nicht besteht.