29.05.2008 Verfahrensrecht

OGH: Zur Zulässigkeit der Verlängerung einer einstweiligen Verfügung nach § 382b Abs 4 EO nach Einleitung des Hauptsacheverfahrens durch den Gegner der gefährdeten Partei

Die Verlängerung einer einstweiligen Verfügung nach § 382b Abs 4 EO setzt nicht voraus, dass die gefährdete Partei selbst das Hauptsacheverfahren eingeleitet hat


Schlagworte: Provisorialverfahren, Gewalt in der Familie, Verlängerung, Hauptsacheverfahren
Gesetze:

§ 382 EO

GZ 3 Ob 1/08f, 30.01.2008

Mit einstweiliger Verfügung wird dem Antragsgegner gemäß § 382b EO für die Dauer von drei Monaten das Betreten der Wohnung und die Rückkehr in ihre unmittelbare Umgebung verboten. Nachdem der Antragsgegner gegen die gefährdete Partei eine Räumungsklage einbracht hat, beantragt die gefährdete Partei die einstweilige Verfügung bis drei Monate nach rechtskräftiger Beendigung des Räumungsverfahrens zu verlängern.

OGH: Eine zum Schutz vor Gewalt in der Familie gemäß § 382b EO erlassene und mangels eines schon anhängigen Verfahrens iSd Abs 4 leg cit auf höchstens drei Monate befristete einstweilige Verfügung kann über Antrag verlängert werden, wenn in der Zwischenzeit ein Hauptverfahren anhängig gemacht wurde. Eine ohne Zusammenhang mit einem Verfahren auf Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe, auf Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens oder auf Klärung der Benützungsberechtigung an der Wohnung beantragte einstweilige Verfügung kann höchstens auf die Dauer von drei Monaten erlassen werden. Der Sicherungswerber soll nicht gezwungen sein, eine Klage zu erheben. Wenn er eine Verlängerung der einstweiligen Verfügung anstrebt, ist er dazu allerdings gezwungen. Hat der Antragsgegner in der Zwischenzeit bereits eine Klage eingebracht, ist dennoch die Verlängerung der einstweiligen Verfügung zulässig, obwohl die gefährdete Partei keinen Hauptanspruch mit Klage geltend gemacht hat. § 382b Abs 4 EO lässt nämlich die Frage offen, wer eines der dort angeführten Verfahren einzuleiten hat, damit eine auf drei Monate befristete einstweilige Verfügung längstens bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptverfahrens verlängert werden kann. Für diese Auffassung spricht auch der Gesetzeszweck, der im Schutz der körperlichen Sicherheit des gefährdeten Lebensgefährten liegt. Der Schutzanspruch kann nach den Umständen des Einzelfalls bis zur Beendigung des Hauptverfahrens bestehen, wenn dem Sicherungswerber das weitere Zusammenleben mit dem anderen unzumutbar ist. Das Schutzinteresse hängt nicht davon ab, wer das Hauptverfahren anhängig gemacht hat. In den in der Praxis häufig vorkommenden Fällen der Gewaltausübung gegen einen Ehegatten kann dessen Schutzanspruch nicht deshalb verneint werden, weil schon der andere eine Scheidungsklage eingebracht hat.