26.06.2008 Verfahrensrecht

OGH: Verhandlungsfreie Zeit hemmt nicht Frist des § 575 Abs 2 ZPO

Die Frist des § 575 Abs 2 ZPO ist eine solche des Verfahrensrechts und muss dem Exekutionsverfahren zugeordnet werden; ein hemmender Einfluss der verhandlungsfreien Zeit iSd § 223 Abs 2 ZPO scheidet damit aus


Schlagworte: Bestandverfahren, Aufkündigung, Kündigung, Auftrag zur Übergabe oder Übernahme, Frist, verhandlungsfreie Zeit, Hemmung
Gesetze:

§ 575 ZPO, § 223 ZPO

GZ 3 Ob 179/07f, 27.02.2008

Die betreibende Partei hatte gegen die verpflichtete Partei die Mietzins- und Räumungsklage eingebracht, das gegen die verpflichtete Partei am 22. Juni 2006 ergangene Versäumungsurteil wurde dieser am 27. Juni 2006 zugestellt. Am 23. Februar 2007 langte der Antrag der betreibenden Partei auf zwangsweise Räumung ein, den das Erstgericht antragsgemäß bewilligte. Unter Berücksichtigung der verhandlungsfreien Zeit sei der Exekutionsantrag zeitgerecht (vor dem 1. März 2007) gestellt worden.

OGH: Nach § 575 Abs 2 ZPO treten eine gerichtliche Kündigung oder ein Auftrag zur Übergabe oder Übernahme des Bestandgegenstands, wider welche nicht rechtzeitig Einwendungen erhoben wurden, desgleichen die über solche Einwendungen ergangenen rechtskräftigen Urteile, vorbehaltlich des über den Kostenersatz ergangenen Ausspruchs, außer Kraft, wenn nicht binnen sechs Monaten nach dem Eintritte der in diesen Aufträgen oder im Urteile für die Räumung oder Übernahme des Bestandgegenstands bestimmten Zeit wegen dieser Räumung oder Übernahme Exekution beantragt wird. Dass der rechtskräftige und vollstreckbare Exekutionstitel "außer Kraft tritt" bedeutet, dass dem säumigen Betreibenden die im Exekutionsverfahren geregelte Möglichkeit verloren geht, den konkreten Leistungstitel im Exekutionsverfahren durchzusetzen. Im Fall nicht rechtzeitiger Antragstellung erlischt der Vollstreckungsanspruch. Regelungszweck des § 575 Abs 2 ZPO ist, dem Bestandnehmer, der das Bestandobjekt nach einer gerichtlichen Aufkündigung weiter benutzt, binnen angemessener (nun sechsmonatiger) Frist Klarheit zu verschaffen, ob der Bestandgeber den sich aus dem Titel ergebenden Räumungsanspruch gegen ihn durchsetzt; die Frist soll dem Bestandgeber einen "Anreiz" zur raschen Rechtsverfolgung bieten.

Die Frist des § 575 Abs 2 ZPO ist eine solche des Verfahrensrechts und muss, weil sie Wirkungen erst für die zwangsweise Durchsetzung der Räumung bzw der Übernahme entfaltet, dem Exekutionsverfahren zugeordnet werden; ein hemmender Einfluss der verhandlungsfreien Zeit iSd § 223 Abs 2 ZPO scheidet damit aus. Wird aber im vorliegenden Fall die Sechsmonatsfrist des § 575 Abs 2 ZPO durch die verhandlungsfreie Zeit nicht gehemmt, ist der Antrag auf Exekutionsbewilligung zu einem Zeitpunkt eingebracht worden, in dem der Vollstreckungsanspruch der betreibenden Partei bereits erloschen war.