03.07.2008 Verfahrensrecht

OGH: Zur Anfechtung von Schiedssprüchen wegen ordre public-Widrigkeit

Schiedssprüche können nicht wegen jeden Verstoßes gegen zwingendes Recht angefochten werden


Schlagworte: Schiedsrecht, Anfechtung, ordre public, zwingendes Recht, Garantien des Art 6 EMRK, rechtliches Gehör
Gesetze:

§ 595 ZPO idF vor SchiedsRÄG 2006, Art 6 EMRK

GZ 5 Ob 272/07x, 01.04.2008

Der Kläger ficht einen Schiedsspruch wegen ordre public-Widrigkeit an.

OGH: Schiedssprüche können nicht wegen jeden Verstoßes gegen Rechtsvorschriften, nicht einmal wegen jeden Verstoßes gegen zwingendes Recht angefochten werden, sodass keine Rechtsgrundlage für das Begehren nach Klärung besteht, ob und wie weit das Schiedsgericht die im Verfahren aufgeworfenen Tat- und Rechtsfragen im Schiedsspruch richtig gelöst hat. Zweck der Aufhebungsklage ist nicht eine Nachprüfung des Schiedsspruchs. Selbst die Prüfung, ob eine ordre public-Widrigkeit vorliegt, darf nicht zu einer (Gesamt-)Überprüfung des Schiedsspruchs in tatsächlicher und/oder rechtlicher Hinsicht führen. Nur dann, wenn es mit dem Ergebnis des Schiedsspruchs zu einer unerträglichen Verletzung tragender Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung kommt, berechtigt dies zur Anfechtung des Schiedsspruchs nach § 595 Abs 1 Z 6 ZPO idF vor SchiedsRÄG 2006. Das KunstrückgabeG 1998 als Ermächtigungsgesetz (§ 1 Einleitungssatz), das ausdrücklich keinerlei Anspruch auf Übereignung begründet (§ 2 Abs 2), ist keine zwingende Rechtsvorschrift im Sinn des § 595 Abs 1 Z 6 ZPO aF.

Zudem stellt eine Schiedsvereinbarung einen - nach der MRK zulässigen - freiwilligen Teil - Verzicht auf die Ausübung der in Art 6 Abs 1 MRK garantierten Rechte dar. Im Schiedsvertrag kann daher auf die Garantien des Art 6 MRK verzichtet werden; nur die Mindestgarantien rechtlichen Gehörs sind auch für private Schiedsverfahren jeweils im nationalen Recht festzulegen und nur der gänzliche Ausschluss vom rechtlichen Gehör rechtfertigt ein Begehren auf Aufhebung eines Schiedsspruchs.