31.07.2008 Verfahrensrecht

OGH: Fortsetzung eines Verfahrens gegen Kommanditgesellschaft nach deren Löschung im Firmenbuch möglich

Wird eine beklagte Kommanditgesellschaft während eines anhängigen Prozesses gelöscht, ist das Verfahren auf Begehren des Klägers fortzusetzen


Schlagworte: Erkenntnisverfahren, Kommanditgesellschaft, Löschung im Firmenbuch, Fortsetzung
Gesetze:

§ 1 ZPO

GZ 8 ObA 72/07g, 03.04.2008

Der Kläger begehrte von einer Kommanditgesellschaft die Zahlung einer Geldsumme. Da die Abgabestelle der beklagten Partei unbekannt war, bestellte das Erstgericht einen Prozesskurator für die beklagte Partei. Dieser teilte mit, dass die beklagte Partei aus dem Firmenbuch gelöscht worden sei. Der Kläger beantragte, das Verfahren trotz der Löschung im Firmenbuch fortzuführen, weil die Löschung und Vollbeendigung während eines aufrechten Prozesses erfolgt sei. Das Erstgericht wies die Klage ua mit der Begründung zurück, dass eine Fortsetzung des Prozesses mit der untergegangenen Gesellschaft grundsätzlich nicht möglich sei.

OGH: Der OGH hat in einer Entscheidung die Auffassung vertreten, dass zwar eine voll beendete Gesellschaft des Handelsrechts grundsätzlich nicht mehr parteifähig sei, hat es aber mit dem Grundrecht auf ein faires Verfahren nach Art 6 MRK - insbesondere Abs 1 Satz 1 dieser Bestimmung - unvereinbar erachtet, wenn die beklagte GmbH durch rechtliche Änderungen in ihrer Sphäre, auf die der Kläger keinen Einfluss habe und die er auch nicht durchschauen könne, eine Entscheidung über den vom Kläger rite geltend gemachten, mit erheblichem Aufwand an Geld, Zeit und Mühe vor Gericht verfolgten zivilgerichtlichen Anspruch vereiteln könnte. Als besonders schutzwürdig erscheine der Kläger, wenn ihm eine GmbH gegenüberstehe, da er in diesem Fall der Gefahr des Abhandenkommens des Prozessgegners nicht durch Klagsführung auch gegen die als Gesellschafter persönlich haftenden natürlichen Personen begegnen könne. Da der Kläger bei Löschung der beklagten GmbH im Zug des Prozesses dessen Fortsetzung weder durch Parteiwechsel auf die Gesellschafter, noch durch Berufung auf einen möglichen Kostenersatzanspruch der beklagten Gesellschaft erreichen könne und ihm auch die Möglichkeit, im Zwischenverfahren Vermögen der beklagten Partei zu behaupten und zu beweisen oder die Löschung der GmbH im Firmenbuch mit Rekurs zu bekämpfen, keine ausreichende Abhilfe biete, andererseits aber aus Art 6 Abs 1 Satz 1 MRK ein Anspruch des Klägers auf Entscheidung über den von ihm in einem rite bei einem Gericht eingeleiteten Rechtsstreit geltend gemachten zivilrechtlichen Anspruch abzuleiten sei, bestehe ein Bedürfnis nach einer diesem Rechtschutzgewährungsanspruch Rechnung tragenden Lösung. Im Fall eines vor Löschung der beklagten GmbH eingeleiteten Zivilprozesses sei daher gegenüber dem Kläger aus dieser Löschung nicht die Vermutung der Vermögenslosigkeit abzuleiten, sondern dem Kläger die Fortsetzung dieses Prozesses ungeachtet der Löschung zuzugestehen, ohne ihn zu einer notwendigerweise "ins Blaue hinein" aufgestellten Behauptung eines Vermögens der Gesellschaft und einem Nachweis dieses Vermögens in einem dazu ungeeigneten Zwischenverfahren zu zwingen.

Die grundsätzlichen Erwägungen des OGH sind auch dann anzuwenden, wenn es sich bei der beklagten Partei um eine im Firmenbuch gelöschte Kommanditgesellschaft handelt, deren (einziger) Komplementär und (einziger) Kommanditist natürliche Personen sind. Im vorliegenden Fall ist daher das Verfahren auf Begehren des Klägers fortzusetzen.