14.08.2008 Verfahrensrecht

OGH: Materielle Streitgenossenschaft nach § 11 Z 1 ZPO

Allgemeine Ausführungen


Schlagworte: Materielle / formelle Streitgenossen
Gesetze:

§ 11 ZPO

GZ 1 Ob 63/08h, 20.06.2008

Die Kläger begehrten vom beklagten Rechtsträger aus dem Titel der Amtshaftung den Ersatz des Verfahrensaufwands, den sie zur Beseitigung der ihrer Meinung nach schuldhaft und rechtswidrig verhängten Strafen in den einzelnen gegen sie geführten Verwaltungsstrafverfahren durch Organe des beklagten Rechtsträgers wegen Verstoßes gegen die Parkgebührenpflicht aufwenden mussten.

OGH: Eine materielle Streitgenossenschaft nach § 11 Z 1 ZPO liegt vor, wenn die Streitgenossen in Ansehung des Streitgegenstands in Rechtsgemeinschaft stehen oder wenn sie aus demselben tatsächlichen Grund oder solidarisch berechtigt oder verpflichtet sind. Ein gleicher "tatsächlicher Grund" liegt überall dort vor, wo für alle Streitgenossen ein einheitlicher rechtserzeugender Sachverhalt gegeben ist. Dort, wo für einen Streitgenossen noch weitere rechtserzeugende Tatsachen für die Ableitung des Anspruchs hinzutreten (oder bereits von vornherein unterschiedliche rechtserzeugende Tatsachen vorliegen), ist keine materielle Streitgenossenschaft mehr gegeben. Eine materielle Streitgenossenschaft liegt etwa nicht vor, wenn mehrere Miterben als Kläger aus dem Titel der Amtshaftung den Ersatz des - jeweils eigenen - Schadens, den jeder von ihnen durch das angeblich rechtswidrige Verhalten des Verlassenschaftsgerichts erlitten hat, verlangen. Mehrere Kläger, die (wie mehrere aus einem Unfallereignis Geschädigte) lediglich gleichartige, auf einem im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen Grund beruhende Ansprüche geltend machen, sind nur formelle Streitgenossen iSd § 11 Z 2 ZPO.

Im vorliegenden Fall machten die Kläger jeweils Schäden (Verfahrensaufwand) geltend, die aus unterschiedlichen Verwaltungsverfahren mit jeweils unterschiedlichem rechtlichem Schicksal - begründet durch unterschiedliche Rechtslagen zu verschiedenen Tatzeitpunkten - resultieren. Die rechtserzeugenden Tatsachen für die Ableitung des Ersatzanspruchs sind somit für die einzelnen Kläger uneinheitlich. Die Kläger sind folglich nur formelle Streitgenossen iSd § 11 Z 2 ZPO.