28.08.2008 Verfahrensrecht

OGH: Zur Frage, ob Verlassenschaftsgläubiger Beschluss nach § 72 AußStrG 1854 bekämpfen können

Ein Beschluss nach § 72 AußStrG 1854 greift in die Rechtssphäre der Verlassenschaftsgläubiger nicht ein, sodass ihnen die Legitimation zur Bekämpfung eines derartigen Beschlusses fehlt


Schlagworte: Außerstreitverfahren, Verlassenschaftsverfahren, kein abhandlungspflichtiges Nachlassvermögen, Beschluss, Bekämpfbarkeit, Antragslegitimation
Gesetze:

§ 72 AußStrG 1854, § 135 AußStrG 1854, § 811 ABGB; § 812 ABGB, § 815 ABGB, § 822 ABGB

GZ 6 Ob 99/08i, 05.06.2008

Das Erstgericht sprach mit Beschluss aus, dass "mangels eines abhandlungspflichtigen Nachlassvermögens eine Verlassenschaftsabhandlung nicht stattfindet. Die gewählte Vorgangsweise, beschlussmäßig festzustellen, dass eine Verlassenschaftsabhandlung nicht stattfinde, ist nach Auffassung des Rekurswerbers vom Außerstreitgesetz 1854 nicht gedeckt, gehe sie doch über die Verständigung nach § 72 Abs 2 AußStrG 1854, dass die Abhandlung nicht von Amts wegen, sondern nur über Antrag eingeleitet wird, hinaus und bringe nach ihrem Wortlaut die Absicht des Gerichts zum Ausdruck, die Durchführung der Abhandlung endgültig abzulehnen.

OGH: Nach stRsp hat ein Nachlassgläubiger im Nachlassverfahren keine Parteistellung und ist daher auch zur Erhebung von Rechtsmitteln nicht berechtigt. Der Nachlassgläubiger hat an und für sich nicht das Recht, im Verlassenschaftsverfahren als Beteiligter einzuschreiten; er kann keinen Einfluss auf die Verlassenschaftsabhandlung nehmen. Ihm steht lediglich die Ausübung der in den §§ 811 f, 815 und 822 ABGB sowie § 73 AußStrG 1854 (iure crediti- Einantwortung) und § 135 f AußStrG 1854 (Forderungsanmeldung) eingeräumten Rechte zu. In allen anderen Fällen hat der Nachlassgläubiger kein Rekursrecht.

Verlassenschaftsgläubiger haben daher im Verlassenschaftsverfahren nur dann Beteiligtenstellung und ein Rekursrecht, wenn durch die angefochtene Verfügung in ihre rechtliche Position eingegriffen wurde. Ein solcher Eingriff ist grundsätzlich nur in Ansehung der Gläubigerrechte nach den §§ 811, 812 und 815 ABGB und etwa dann anzunehmen, wenn in Gläubigerrechte unmittelbar eingegriffen wurde, etwa wenn der Nachlass einem anderen Gläubiger an Zahlungs statt überlassen wurde. Hingegen liegt in der Vorgangsweise nach § 72 AußStrG 1854 kein Eingriff in die Rechtsstellung der Nachlassgläubiger, bleibt doch die Nachlassforderung im Rechtsweg gegen die ruhende Verlassenschaft durchsetzbar. Bei Unterbleiben einer Verlassenschaftsabhandlung besteht der ruhende Nachlass weiter. Die ruhende Verlassenschaft ist weiterhin parteifähig und kann geklagt werden, wobei deren Vertretung durch einen Kurator zu erfolgen hat.