09.10.2008 Verfahrensrecht

OGH: Keine Rügepflicht bei Stoffsammlungsmängel

Dass Mängel, die die Sammlung des Prozessstoffes betreffen, keiner Rüge iSd § 196 Abs 1 ZPO bedürfen, um mit einem Rechtsmittel geltend gemacht werden zu können, gilt auch nach Inkrafttreten der die ZVN 2002


Schlagworte: Erkenntnisverfahren, Stoffsammlungsmängel, Rüge, Rechtsmittel
Gesetze:

§ 196 ZPO

GZ 7 Ob 53/08g, 09.07.2008

Das Berufungsgericht prüfte die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Verfahrens, die darin liege, dass das Erstgericht die Einvernahme eines Zeugen unterlassen habe, deshalb nicht, weil der Beklagte vor Schluss der Verhandlung das Unterlassen der Einvernahme nicht als Verfahrensfehler iSd § 196 Abs 1 ZPO gerügt habe.

OGH: Die Zivilverfahrensnovelle 2002 bezweckt, gerichtliche Verfahren schneller und effizienter zu gestalten. Den zentralen Reformansatz bildete der Gedanke, den Parteien die Mitverantwortung für eine rasche Prozessführung aufzuerlegen und sie zu verpflichten, ihr Vorbringen so zu erstatten, dass das Verfahren so rasch wie möglich durchgeführt werden kann. Neues Vorbringen oder neue Beweisanbote, die die Erledigung des Prozesses erheblich verzögern würden, sollen dann zurückgewiesen werden, wenn sie grob schuldhaft nicht früher erstattet worden seien. Weitere erhebliche Beschleunigungseffekte sollten durch die Ausweitung des Mahnverfahrens und die Zulässigkeit des (echten) Versäumungsurteils sowie durch die Umgestaltung der ersten Tagsatzung und die Abschaffung des Widerspruchs gegen das Versäumungsurteil erzielt werden. Der Gesetzgeber hat danach sein Ziel der Prozesskonzentration mit ganz bestimmten Mitteln verfolgt. Die Bestimmung des § 196 ZPO wurde dabei, in Kenntnis der darauf fußenden Judikatur, nicht als reformbedürftig erkannt. Es besteht daher kein gesetzlicher Auftrag, den Parteien bei primären Stoffsammlungsmängeln eine Rügepflicht aufzuerlegen. Es gibt für den OGH jedenfalls hier keinen Grund, von seiner bisherigen Rechtsprechung abzugehen, nach der § 196 ZPO auf Stoffsammlungsmängel (auch auf primäre) nicht anzuwenden ist.