30.10.2008 Verfahrensrecht

OGH: Begriff des Arbeitsortes iSd Art 19 EuGVVO

Unter dem Begriff Arbeitsort iSd EuGVVO ist jener Ort zu verstehen, an dem der Arbeitnehmer die mit seinem Arbeitgeber vereinbarten Tätigkeiten tatsächlich ausübt


Schlagworte: Europäisches Zivilprozessrecht, internationale Zuständigkeit, Arbeitsachen, Arbeitsort, mehrere Mitgliedstaaten
Gesetze:

Art 19 EuGVVO

GZ 8 ObA 33/08y, 10.07.2008

OGH: Gem Art 19 Nr 1 EuGVVO kann ein Arbeitgeber, der seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, vor den Gerichten des Mitgliedstaats, in dem er seinen Wohnsitz hat, verklagt werden. Gem Art 19 Nr 2 EuGVVO kann der Arbeitgeber in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden vor dem Gericht des Ortes, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet hat oder zuletzt gewöhnlich verrichtet hat (lit a) oder, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeit gewöhnlich nicht in ein und demselben Staat verrichtet oder verrichtet hat, vor dem Gericht des Ortes, an dem sich die Niederlassung befindet, die den Arbeitnehmer eingestellt hat (lit b). Neben der Klagemöglichkeit am allgemeinen Gerichtsstand des Arbeitgebers (Art 19 Nr 1 EuGVVO) eröffnet Art 19 Nr 2 EuGVVO somit einen besonderen Vertragsgerichtsstand. Die besondere Zuständigkeitsregel des Art 19 Nr 2 lit a EuGVVO hat die Zielsetzung, dem Arbeitnehmer als der sozial schwächeren Partei einen angemessenen Schutz zu gewährleisten. Ein solcher Schutz ist besser gewährleistet, wenn für Streitigkeiten iZm einem Arbeitsvertrag das Gericht des Ortes zuständig ist, an dem der Arbeitnehmer seine Verpflichtungen gegenüber seinem Arbeitgeber erfüllt, da sich der Arbeitnehmer an diesem Ort mit dem geringsten Kostenaufwand an die Gerichte wenden oder sich als Beklagter zur Wehr setzen kann. Im Übrigen ist das Gericht des Ortes, an dem der Arbeitnehmer die vereinbarte Tätigkeit auszuüben hat, am Besten zur Entscheidung eines Rechtsstreits in der Lage, der sich aus dem Arbeitsvertrag ergeben kann.

Der Begriff des "gewöhnlichen Arbeitsortes" ist autonom auszulegen. Unter Arbeitsort ist jener Ort zu verstehen, an dem der Arbeitnehmer die mit seinem Arbeitgeber vereinbarten Tätigkeiten tatsächlich ausübt. Das ist jener Ort, an dem oder von dem aus der Arbeitnehmer seine Verpflichtungen gegenüber seinem Arbeitgeber hauptsächlich erfüllt. Erfüllt der Arbeitnehmer die Verpflichtungen aus seinem Arbeitsvertrag in mehreren Vertragsstaaten, ist als maßgeblicher Ort jener anzusehen, an dem oder von dem aus er unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls den wesentlichen Teil seiner Verpflichtungen gegenüber seinem Arbeitgeber tatsächlich erfüllt. Grundsätzlich ist die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses für die Bestimmung des Orts, an dem der Betroffene iSd genannten Vorschrift gewöhnlich seine Arbeit verrichtet hat, zu berücksichtigen. Mangels anderer Kriterien ist das der Ort, an dem der Arbeitnehmer den größten Teil seiner Arbeitszeit geleistet hat.