20.11.2008 Verfahrensrecht

OGH: Zur Frage, wann bürgerliche Rechtssachen durch Gerichte zu entscheiden sind

Im Zweifel müssen bürgerliche Rechtssachen mangels ausdrücklicher anderer Anordnung durch die Gerichte entschieden werden


Schlagworte: Erkenntnisverfahren, bürgerliche Rechtsachen, privatrechtlicher Anspruch, Abgrenzung zwischen Gericht und Verwaltungsbehörde
Gesetze:

§ 1 JN

GZ 9 Ob 11/08w, 20.08.2008

OGH: Für die Zuständigkeit ist in erster Linie die Zuweisung durch gesetzliche Bestimmungen maßgeblich. § 1 JN sieht die Zuständigkeit der Gerichte in bürgerlichen Rechtssachen vor, soweit diese nicht durch besondere gesetzliche Regelungen anderen Behörden und Organen zugewiesen sind. Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs ist in erster Linie der Wortlaut des Klagebegehrens und darüber hinaus der Klagesachverhalt (die Klagebehauptungen) maßgebend. Wesentlich ist die Natur, das Wesen des geltend gemachten Anspruchs, wofür wiederum der geltend gemachte Rechtsgrund von ausschlaggebender Bedeutung ist. Ohne Einfluss ist hingegen, was der Beklagte einwendet oder ob der behauptete Anspruch begründet ist; es kommt nur darauf an, ob nach dem Inhalt der Klage ein privatrechtlicher Anspruch erhoben wird, über den die ordentlichen Gerichte zu entscheiden haben. Im Zweifel müssen bürgerliche Rechtssachen mangels ausdrücklicher anderer Anordnung durch die Gerichte entschieden werden. Es besteht daher für diese Rechtsstreitigkeiten eine Generalklausel zu Gunsten der Zivilgerichte. Soll von der Zuständigkeit der Gerichte eine Ausnahme geschaffen werden, so muss diese in den hiefür erforderlichen "besonderen Gesetzen" klar und unzweideutig zum Ausdruck gebracht werden. Eine ausdehnende Auslegung von Vorschriften, die eine Zuständigkeit einer Verwaltungsbehörde normieren, ist unzulässig.

Bürgerliche Rechtssachen sind solche Ansprüche, die auf Gleichbehandlung beruhende Rechtsbeziehungen zwischen beliebigen Rechtssubjekten zum Gegenstand haben. Art 94 B-VG schließt nicht aus, dass aus demselben Sachverhalt privatrechtliche und öffentlich-rechtliche Ansprüche, also aus verschiedenen Rechtsgrundlagen, abgeleitet werden, über die einerseits die Gerichte, andererseits die Verwaltungsbehörden zu entscheiden haben. Der Grundsatz der Trennung der Justiz von der Verwaltung beinhaltet aber das Verbot, über dieselbe Frage Gerichte und Verwaltungsbehörden, sei es im gemeinsamen Zusammenwirken, sei es im instanzenmäßigen Nacheinander, entscheiden zu lassen.