01.01.2009 Verfahrensrecht

OGH: Zur Frage, ob der Konkurs-/Ausgleichsgläubiger im Insolvenzverfahren aufrechnen muss, um der Kürzung seiner Forderung durch einen (Zwangs-)Ausgleich zu entgehen

Der Gläubiger kann von der ihm durch das Gesetz in §§ 19, 20 KO und AO eingeräumten Aufrechnungsmöglichkeit auch noch nach Beendigung des Insolvenzverfahrens Gebrauch machen, wenn er während des Ausgleichsverfahrens keine Aufrechnungserklärung abgegeben hat


Schlagworte: Konkursrecht, Aufrechnung, Zeitpunkt, Beendigung des Insolvenzverfahrens
Gesetze:

§ 19 KO, § 20 KO, § 19 AO, § 20 KO

GZ 7 Ob 118/08s, 24.09.2008

OGH: Nach stRsp erstreckt sich die Vereinbarung eines Kompensationsverbots im Zweifel nicht auf den Fall, dass über das Vermögen des Schuldners der Gegenforderung ein Insolvenzverfahren eröffnet wird, weil das Kompensationsverbot die volle Bezahlung beider Forderungen bezweckt, während im Insolvenzfall die volle Bezahlung der Gegenforderung nicht verlangt werden kann. Es soll also ein vertraglich vereinbartes Kompensationsverbot die Aufrechnungsmöglichkeit nach §§ 19 KO und AO nicht unterlaufen. Die Aufrechnung im Insolvenzverfahren ist in den §§ 19, 20 KO und 19, 20 AO geregelt. Danach müssen sich die Forderungen bei Insolvenzeröffnung bereits aufrechenbar gegenübergestanden haben. Entsteht eine der Forderungen erst durch die oder nach der Eröffnung des Konkurs- oder Ausgleichsverfahrens, fehlt es an dieser Voraussetzung der Aufrechenbarkeit. Die Regelung der Aufrechnung im Insolvenzverfahren beruht auf der Erwägung, dass es unbillig wäre, vom Schuldner des Ausgleichsschuldners Vollzahlung zu verlangen, ihm aber für seine Gegenforderung nur die Ausgleichsquote zu gewähren. Ein aufrechnungsberechtigter Konkurs- oder Ausgleichsgläubiger hat eine ähnliche Stellung wie ein Absonderungsgläubiger; er braucht sich - gleichgültig, ob er seine Forderung im Konkurs angemeldet hat oder nicht - nicht mit der Quote, die auf ihn im Konkurs entfiele, zu begnügen. Die volle Deckung der Forderung des Ausgleichsgläubigers durch eine im Ausgleichsverfahren erlaubte Aufrechnung ist keine Verletzung der Gleichbehandlungsvorschriften und damit keine Sonderbegünstigung iSv § 47 AO.

Kontroversiell wird die Frage beantwortet, ob der Konkurs-/Ausgleichsgläubiger im Insolvenzverfahren aufrechnen muss, um der Kürzung seiner Forderung durch einen (Zwangs-)Ausgleich zu entgehen oder ob er im Hinblick auf §§ 19 KO und AO Forderungen, die zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits aufrechenbar waren, im Insolvenzverfahren nicht geltend machen muss. Der OGH schließt sich nunmehr unter Abgehen von der durch SZ 31/149 begründeten Rechtsprechung der mittlerweile überwiegenden Rechtsansicht an, dass Gläubiger von der ihnen durch das Gesetz in §§ 19, 20 KO und AO eingeräumten Aufrechnungsmöglichkeit auch noch nach Beendigung des Insolvenzverfahrens Gebrauch machen können, wenn sie während des Ausgleichsverfahrens keine Aufrechnungserklärung abgegeben haben. Sie sind nicht auf die Quote beschränkt. Dies entspricht den §§ 19 Abs 1 KO und AO, denen sonst kaum Bedeutung zukäme. Die vom Gesetz gewollte Begünstigung des Aufrechnungsgläubigers ergibt sich bereits aus den §§ 19 KO und AO und trägt der oben dargelegten Sonderstellung des Aufrechnungsberechtigten Rechnung.