01.01.2009 Verfahrensrecht

OGH: Zum Erfordernis des Zusammenhangs iSd Art 6 Z 1 EuGVÜ

Die Zuständigkeit nach Art 6 Z 1 EuGVÜ setzt voraus, dass die gegen die einzelnen Beklagten geltend gemachten Ansprüche so in einem inhaltlichen Zusammenhang zueinander stehen, dass eine gemeinsame Entscheidung geboten ist, um einander widersprechende Entscheidungen verschiedener Gerichte zu vermeiden


Schlagworte: Europäisches Zivilprozessrecht, internationale Zuständigkeit, Wahlgerichtsstand, Mehrparteienprozess, Konnexität, Behauptungslast, Beweislast, doppelrelevante Tatsache
Gesetze:

Art 6 Z 1 EuGVÜ

GZ 10 Ob 79/08b, 09.09.2008

OGH: Nach Art 6 Z 1 EuGVÜ kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats hat, auch vor dem Gericht, in dessen Bezirk einer der Beklagten seinen Wohnsitz hat, geklagt werden. Voraussetzung für diesen Gerichtsstand der passiven Streitgenossenschaft ist, dass die gegen die einzelnen Beklagten geltend gemachten Ansprüche so in einem - vertragsautonom zu bestimmenden - inhaltlichen Zusammenhang (Konnexität) zueinander stehen, dass eine gemeinsame Entscheidung geboten ist, um einander widersprechende Entscheidungen verschiedener Gerichte zu vermeiden. Dieser Entscheidungswiderspruch muss auf "derselben Sach- und Rechtslage" beruhen. Das Erfordernis eines Zusammenhangs ergibt sich zwar nicht aus dem Wortlaut von Art 6 Z 1 EuGVÜ. Ebenso wie die Literatur hat es der EuGH aus dieser Bestimmung abgeleitet, um nicht zu weitreichende Ausnahmen vom Grundsatz der Wohnsitzzuständigkeit des Beklagten (Art 2 EuGVÜ) zuzulassen..

Anhaltspunkte für die Intensität des Zusammenhangs können nach der älteren EuGH-Judikatur aus Art 22 Abs 3 EuGVÜ gewonnen werden. Es spricht aber vieles dafür, die Anforderungen an den Zusammenhang in Art 6 Z 1 EuGVÜ enger zu sehen als in Art 22 Abs 3 EuGVÜ. Als typische Beispiele für den erforderlichen inhaltlichen Zusammenhang werden in der Literatur und in der vertragsstaatlichen Rechtsprechung etwa Gesamtschuldnerschaft, Bürgschaft, Klagen gegen den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer sowie das Vorliegen gleichartiger rechtlicher und tatsächlicher Gründe genannt. Der OGH hat in seiner bisherigen Judikatur ausgesprochen, dass ein ausreichender Sachzusammenhang in der Regel zu bejahen sein wird, wenn die Entscheidung über den einen Anspruch vom anderen abhängt oder beide Ansprüche von der Lösung einer gemeinsamen Vorfrage abhängen.

Jedenfalls ist der entsprechende Sachzusammenhang in tatsächlicher Hinsicht vom Kläger zu behaupten und zu beweisen. Sind dafür relevante Tatsachen im Verfahren strittig (sog "doppelrelevante Tatsachen"), reicht es aus, wenn das Vorbringen des Klägers über den Sachzusammenhang schlüssig ist. Ob tatsächlich der geforderte materiell-rechtliche Zusammenhang vorliegt, ist erst im Hauptverfahren zu prüfen, um nicht die Zuständigkeitsprüfung mit einer zu weitgehenden Sachprüfung zu belasten.