11.01.2006 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Die Weiterbeschäftigung von Dienstnehmern trotz Zahlungsunfähigkeit stellt kein betrügerisches Verhalten des Dienstgebers dar


Schlagworte: Sozialversicherungsrecht, Pflichtversicherung, Sozialbetrug, Vermögensverfügung
Gesetze:

§§ 10 Abs 1, 11 Abs 1 ASVG, §§ 33, 34 ASVG, § 69 KO, § 1311 ABGB

In seinem Erkenntnis vom 03.11.2005 zur GZ 6 Ob 190/04s hatte sich der OGH mit der Frage nach einem Anspruch auf Ersatz für die Gewährung von Sozialversicherungsschutz infolge eines Sozialbetruges auseinanderzusetzen:

Die klagende Gebietskrankenkasse begehrte von der Beklagten den Ersatz ihres Schaden, der ihr durch die Nichtbezahlung von Sozialversicherungsbeträgen entstanden ist, weil bereits aufgrund der Anmeldung der tatsächlich beschäftigten Dienstnehmer Sozialversicherungsschutz gewährt wurde. Die Beklagte habe das Verbrechen des schweren Betruges nach §§ 146, 147 StGB begangen, weil sie wusste, dass sie nicht in der Lage sein werde, die Beträge zu entrichten und trotz Zahlungsunfähigkeit ihre Dienstnehmer weiter beschäftigte. Die Beklagte entgegnete, sich durch die Anmeldung der beschäftigten Dienstnehmer pflichtgemäß verhalten zu haben.

Der OGH führte dazu aus: Ein Pflichtversicherungsverhältnis entsteht unabhängig vom Parteiwillen allein durch die Erfüllung eines gesetzlichen Tatbestandes. Auf eine Meldung an den Versicherungsträger ist in diesem Zusammenhang nicht abzustellen. Nur im Hinblick auf die Pensionsversicherung kann es zu Leistungsverlusten kommen. Der Straftatbestand des Betruges erfordert ein Verhalten des Geschädigten, ein solches liegt jedoch im Falle eines kraft Gesetzes entstehenden Versicherungsverhältnisses nicht vor. Im Weiteren wäre eine selbstschädigende Vermögensverfügung des Geschädigten erforderlich. Nachdem jedoch ein bloßes Versicherthalten noch keine Vermögensverfügung darstellt, die zu einer Minderung der Vermögenssubstanz führt, scheidet der Tatbestand des Betruges damit aus.