22.01.2009 Verfahrensrecht

OGH: Zur Frage, ob der Verweis in § 22 AußStrG hinsichtlich der für Beleidigungen in Schriftsätzen verhängten Strafen auch die Rechtsmittelbeschränkung des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO erfasst

Der Verweis auf die ZPO in § 22 AußStrG hinsichtlich der für Beleidigungen in Schriftsätzen verhängten Strafen erfasst auch die Rechtsmittelbeschränkung des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO


Schlagworte: Außerstreitverfahren, Verweis auf ZPO, Beleidigungen in Schriftsätzen, Rechtsmittelbeschränkung
Gesetze:

§ 22 AußStrG, § 86 ZPO, § 220 ZPO, § 528 Abs 2 Z 2 ZPO

GZ 3 Ob 228/08p, 19.11.2008OGH: Nach § 22 AußStrG sind die Bestimmungen der ZPO ua über Beleidigung in Schriftsätzen und über Strafen im Verfahren außer Streitsachen sinngemäß anzuwenden. Das gilt demnach jedenfalls für die §§ 86 und 220 ZPO. Nicht eindeutig ist dieser Verweis, was das Rechtsmittelverfahren über nach diesen Normen ergangene Beschlüsse angeht.

Wird im Allgemeinen Teil des AußStrG auf verfahrensrechtliche Institute der ZPO verwiesen, so soll damit grundsätzlich nur auf das Rechtsinstitut und die dort - in Abweichung von den allgemeinen Regeln der ZPO - festgelegten Sondervorschriften (zB hinsichtlich Fristen, Kosten, Anfechtbarkeit usw) als lex specialis verwiesen werden, nicht jedoch auch auf die allgemeinen Regeln der ZPO in diesem Bereich.

Nach dem neuen - wie schon den jüngeren Fassungen des alten Gesetzes - AußStrG fehlt eine § 528 Abs 2 Z 2 ZPO entsprechende Anfechtungsbeschränkung. Dass idR im Außerstreitverfahren auch voll bestätigende Beschlüsse zweiter Instanz - unter der Voraussetzung des Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG - anfechtbar sind, rechtfertigt sich va daraus, dass anders als nach der ZPO (Urteilsform) auch die Sachentscheidungen nach dem AußStrG als Beschlüsse ergehen und auch das Revisionsverfahren nach der ZPO keine Rechtsmittelbeschränkung aus diesem Grund kennt. Sieht man vom Institut der Verfahrenshilfe ab, für welches eine Anrufung des OGH nach beiden Verfahrensordnungen jedenfalls ausgeschlossen ist (§ 528 Abs 2 Z 4 ZPO, § 62 Abs 2 Z 3 AußStrG), betreffen die Regelungsbereiche der dargestellten Verweise fast durchwegs solche, die mit dem Fortgang des Verfahrens eng verbunden sind, nämlich (abgesehen von der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 21 AußStrG) Normen über Prozessfähigkeit, Bevollmächtigung, Anleitung und Belehrung, Fristen, Zustellung, auswärtige Beweisaufnahme sowie Ergänzung und Berichtigung von Entscheidungen. Damit ist eine - bei völlig gleicher Sachlage - gegenüber der restriktiveren Anfechtungsmöglichkeit nach der ZPO erleichterte Anrufbarkeit des OGH im Verfahren außer Streitsachen sachlich wohl noch dadurch zu rechtfertigen, dass die Materien, über die in diesem Verfahren zu befinden ist, idR existentielle Bedürfnisse von Menschen betreffen. So nennen die Materialien ausdrücklich Ehe-, Familien-, Erb- und Miteigentumsrecht. Zumindest für einen Teil der vom Verweis des § 22 AußStrG erfassten Materien gilt das nicht. Darin wird die sinngemäße Anwendung der Bestimmungen der ZPO über Protokolle, Akten sowie die Sitzungspolizei, Beleidigungen in Schriftsätzen und über Strafen angeordnet. Die Verhängung von Ordnungsstrafen kommt zwar - anders als in Ausübung der Sitzungspolizei nach § 199 ZPO - bei der Ahndung von beleidigenden Äußerungen in Schriftsätzen nach dem Wortlaut des § 86 ZPO nur gegen die Parteien des Verfahrens in Betracht. Solche Strafen berühren jedoch, selbst wenn sie gegen Parteien des Hauptverfahrens verhängt werden, dieses und dessen Fortgang ebensowenig wie die Entscheidung in der Sache. Eine sachliche Rechtfertigung dafür, dass ein und dasselbe Verhalten bei inhaltlich identischen Entscheidungen der Vorinstanzen einmal der Kognition des OGH entzogen sein soll (Streitverfahren) und das andere Mal nicht (Verfahren außer Streitsachen), ist nicht ersichtlich, vielmehr bedeutete dies einen Wertungswiderspruch.