05.02.2009 Verfahrensrecht

OGH: Zur Frage, wann der Streitgegenstand nach privatrechtlichen und wann nach öffentlich-rechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen ist

Nur im Zweifel müssen bürgerliche Rechtssachen mangels ausdrücklicher anderer Anordnung durch die Gerichte entschieden werden


Schlagworte: Erkenntnisverfahren, privatrechtlicher Anspruch, öffentlich-rechtlicher Anspruch
Gesetze:

§ 1 JN

GZ 7 Ob 110/08i, 05.11.2008

Die Klägerin gründet ihren behaupteten Ersatzanspruch auf die unmittelbar aus dem B-VG (iVm dem SPG) und der EMRK abgeleitete (waffen-/sicherheits-)polizeiliche, einfachgesetzlich nicht geregelte Verpflichtung des Bundes zur Sondierung von Bombenverdachtspunkten.

OGH: Sowohl bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs als auch für die Beantwortung der Frage, ob der Streitgegenstand nach privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen ist, ist in erster Linie der Wortlaut des Klagebegehrens und darüber hinaus der Klagssachverhalt (die Klagsbehauptungen) maßgebend. Es kommt auf die Natur und das Wesen des geltend gemachten Anspruchs an, wofür wiederum der geltend gemachte Rechtsgrund von ausschlaggebender Bedeutung ist. Ohne Einfluss ist es, was der Beklagte einwendet oder ob der behauptete Anspruch begründet ist.

Privatrechtliche Ansprüche sind dadurch gekennzeichnet, dass sich gleichberechtigte Rechtssubjekte gegenüberstehen, während im öffentlichen Recht ein übergeordnetes Rechtssubjekt einseitige Gestaltungsakte setzen kann, denen das untergeordnete Rechtssubjekt unterworfen ist. Im Zweifel müssen bürgerliche Rechtssachen mangels ausdrücklicher anderer Anordnung durch die Gerichte entschieden werden. Es besteht daher für diese Rechtsstreitigkeiten eine Generalklausel zugunsten der Zivilgerichte. Soll von der Zuständigkeit der Gerichte eine Ausnahme geschaffen werden, so muss diese in den hierfür erforderlichen "besonderen Gesetzen" klar und unzweideutig zum Ausdruck gebracht werden. Eine ausdehnende Auslegung von Vorschriften, die eine Zuständigkeit einer Verwaltungsbehörde normieren, ist unzulässig.

Die Klägerin behauptet im vorliegenden Fall eine Verpflichtung öffentlich-rechtlicher Natur, die (nur) den Bund als Rechtsträger trifft. Da der Ersatzanspruch der Klägerin die von ihr angenommene staatliche Fürsorgepflicht gegenüber der Allgemeinheit als typische öffentlich-rechtliche Aufgabe zwingend voraussetzt, muss wegen dieses untrennbaren Zusammenhangs (und mangels anderer gesetzlicher Regelungen) auch der Ersatzanspruch dem öffentlichen Recht zugewiesen werden, sodass es ausgeschlossen ist, eine privatrechtliche Ersatzpflicht des Bundes anzunehmen. Daher kommt es auch nicht darauf an, ob man von der Möglichkeit des Bundes ausgeht, bei der Wahrnehmung der behaupteten Sondierungsverpflichtung einseitige Gestaltungsakte als übergeordnetes Rechtssubjekt setzen zu können, denen untergeordnete Rechtssubjekte unterworfen sind, oder ob (mangels jeder einfachgesetzlichen Regelung) der Bund dabei als gleichberechtigtes Rechtssubjekt vorzugehen hat. Gerade das Fehlen präzisierender Normen bedeutet, dass keine Verweisung dieses öffentlich-rechtlichen Anspruchs in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte erfolgte.