12.02.2009 Verfahrensrecht

OGH: Zum Bestimmtheitserfordernis des § 226 Abs 1 ZPO

Macht ein Kläger nur einen Teil des Gesamtschadens geltend und können dabei einzelne Schadenspositionen unterschieden werden, die ein unterschiedliches rechtliches Schicksal haben, so hat er klarzustellen, welche Teile von seinem pauschal formulierten Begehren erfasst sein sollen


Schlagworte: Klagebegehren, Bestimmtheitserfordernis, mehrere Ansprüche, Teileinklagung
Gesetze:

§ 226 ZPO

GZ 10 Ob 63/08z, 14.10.2008

OGH: Das Klagebegehren ist der Antrag des Klägers auf Fällung eines Urteils mit bestimmtem Inhalt. Dem Erfordernis der Bestimmtheit ist entsprochen, wenn daraus unter Berücksichtigung des Sprach- und Ortsgebrauchs und nach den Regeln des Verkehrs zweifelsfrei zu entnehmen ist, was begehrt wird. Werden aus einem rechtserzeugenden Sachverhalt mehrere Ansprüche abgeleitet und in einer Klage geltend gemacht, dann muss in einem solchen Fall der objektiven Klagehäufung nach Lehre und Rechtsprechung jeder der Ansprüche zumindest in der Begründung ziffernmäßig bestimmt und individualisiert sein, um dem Bestimmtheitsgebot des § 226 ZPO zu entsprechen. Ohne eine solche Aufschlüsselung wäre es nämlich nicht möglich, den Umfang der Rechtskraft einer Teilabweisung des Zahlungsbegehrens zu bestimmen und damit die Frage zu beantworten, über welche der eingeklagten Forderungen (ganz oder teilweise) endgültig abgesprochen worden ist. Nur wenn eine solche Aufgliederung erfolgt, kann in einem Folgeprozess die der Zulässigkeit einer weiteren Sachentscheidung allenfalls entgegenstehende materielle Rechtskraft der früheren Entscheidung beurteilt werden. Zwei Ansprüche sind dann ziffernmäßig bestimmt aufgegliedert, wenn ihre betragliche Fixierung aus dem Vorbringen insgesamt zumindest schlüssig hervorgeht und auf der Basis dieses Vorbringens ein Versäumungsurteil über das Klagebegehren ergehen könnte. Werden hingegen nicht mehrere Ansprüche, sondern wird ein einheitlicher Anspruch (zB ein einheitlicher Gesamtschaden aufgrund derselben Schadensursache) geltend gemacht, würde es nach der Rechtsprechung eine Überspannung der Verpflichtung zur Präzisierung bedeuten, würde man vom Kläger eine genaue Aufschlüsselung der einzelnen unselbständigen Teilpositionen fordern. In diesem Sinne wurde in der Rechtsprechung auch ein Pauschalbegehren auf Ersatz von Mängelbehebungskosten als zulässig beurteilt. Die Teileinklagung einer Forderung ist bei teilbaren Leistungen grundsätzlich zulässig (vgl § 55 Abs 3 JN). Macht ein Kläger nur einen Teil des Gesamtschadens geltend und können dabei einzelne Schadenspositionen unterschieden werden, die ein unterschiedliches rechtliches Schicksal haben, so hat er klarzustellen, welche Teile von seinem pauschal formulierten Begehren erfasst sein sollen.

Die von den Vorinstanzen mangels ausreichender Bestimmtheit angenommene (teilweise) Unschlüssigkeit des Klagebegehrens liegt nicht vor. Nach dem zum Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz maßgebenden Vorbringen der Klägerin steht ihr eine in ihren einzelnen Positionen betragsmäßig aufgeschlüsselte Gesamtforderung von 298.147,68 EUR zu, sodass sich unter Berücksichtigung der von der Beklagten geleisteten Zahlung von 93.798 EUR eine offene Forderung der Klägerin von insgesamt 204.349,68 EUR ergibt. Davon macht die Klägerin einen Teilbetrag von 77,73 %, somit 142.240,27 EUR (= Höhe des Klagebegehrens), geltend. Eine Ausdehnung des Klagebegehrens (auf den vollen Forderungsbetrag) behielt sich die Klägerin ausdrücklich vor. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist die Klägerin mit diesem Vorbringen dem Bestimmtheitserfordernis des § 226 Abs 1 ZPO nachgekommen, weil durch ihr Vorbringen klargestellt ist, dass sie jeweils 77,73 % der von ihr im Einzelnen ziffernmäßig bestimmten und ausreichend individualisierten Teilforderungen ihres Klagebegehrens geltend macht.