19.02.2009 Verfahrensrecht

OGH: Zur Auslegung des Art 5 Nr 3 EuGVVO

Der in Art 5 Nr 3 EuGVVO normierte Begriff "unerlaubte Handlung" ist autonom auszulegen; erfasst werden jedenfalls nach dem (österreichischen) Strafrecht strafbare Handlungen


Schlagworte: Europäisches Zivilprozessrecht, internationale Zuständigkeit, Delikt, strafbare Handlung
Gesetze:

Art 5 Nr 3 EuGVVO, § 153 StGB

GZ 3 Ob 182/08y, 19.11.2008

OGH: Nach Art 5 Nr 3 EuGVVO können Ansprüche vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht, eingeklagt werden, "wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden". Der Begriff "unerlaubte Handlung" ist nach der Rechtsprechung des EuGH ein vertragsautonomer Begriff, der sich auf alle Klagen bezieht, mit denen eine Schadenshaftung geltend gemacht wird und die nicht an einen "Vertrag" im Sinn von Art 5 Nr 1 anknüpfen. Bereicherungsansprüche können nicht beim Gerichtsstand für Deliktsklagen geltend gemacht werden, selbst dann nicht, wenn die Ansprüche aus einem Eingriff in Rechtsgüter des Entreicherten herrühren, da mit ihnen nur Rückgängigmachung der Entreicherung, nicht aber Schadenersatz begehrt wird. Der Kläger wirft der Beklagten nicht expressis verbis ein strafbares Delikt vor, wohl aber schlüssig durch die Behauptung eines Sachverhalts, der weitgehend dem Delikt der Untreue (§ 153 StGB) entspricht. Dieses Delikt begeht, wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, wissentlich missbraucht und dadurch dem anderen einen Vermögensnachteil zufügt. Auch wenn es auf die schadenersatzrechtliche Beurteilung nach österreichischem Recht nicht ankommt, kann bei der gebotenen vertragsautonomen Auslegung des Begriffs "unerlaubte Handlung" kein Zweifel über den Zuständigkeitstatbestand des Art 5 Nr 3 EuGVVO bestehen, wenn der Klageanspruch auf eine nach dem Strafrecht strafbare Handlung gestützt wird.