26.02.2009 Verfahrensrecht

OGH: Zu den Rechtsfolgen der mangelnden Belehrung nach § 131 Abs 2 ZPO

Das Unterbleiben der Belehrung nach § 131 Abs 2 ZPO führt zur Nichtigkeit des erlassenen Versäumungsurteils


Schlagworte: Erkenntnisverfahren, Anwaltspflicht, Postulationsfähigkeit, Nichtigkeit
Gesetze:

§ 27 ZPO, § 131 ZPO, § 477 ZPO

GZ 7 Ob 233/08b, 10.12.2008

Der Beklagte wurde weder in der ersten Ladung noch zu einem anderen Zeitpunkt im erstinstanzlichen Verfahren aufgefordert, einen Rechtsanwalt als Vertreter zu bestellen und es wurden ihm auch nicht die Nachteile bekannt gegeben, die das Gesetz mit der Nichtbestellung eines Rechtsanwalts und mit der Versäumung einer Tagsatzung verbindet. Der Beklagte wurde zunächst bereits zu einer Tagsatzung zugelassen, bevor der Klagevertreter erstmals in der zweiten Tagsatzung auf die Postulationsunfähigkeit des Beklagten hinwies. Das Erstgericht erließ daraufhin ein Versäumungsurteil.

OGH: Das Erstgericht erließ unter Verletzung der Belehrungspflicht nach § 131 Abs 2 ZPO das Versäumungsurteil. Bei der Beurteilung, welche Rechtsfolgen die mangelnde Postulationsfähigkeit hat, ist zu unterscheiden: Wird die Postulationsunfähigkeit einer Partei nicht erkannt und wird sie zur Verhandlung zugelassen und mit ihr das Verfahren abgewickelt, so begründet dies nach stRsp keine Nichtigkeit, sondern einen Verfahrensmangel. Anders gelagert ist der vorliegende Fall, in dem die Postulationsunfähigkeit erkannt und aufgegriffen wurde und daraus Säumnisfolgen abgeleitet wurden. Der Nichtigkeitsgrund nach § 477 Abs 1 Z 4 ZPO ist gegeben, wenn einer Partei die Möglichkeit, vor Gericht zu verhandeln, durch einen ungesetzlichen Vorgang entzogen wird. Der Nichtigkeitsgrund ist nur bei völligem Ausschluss von der Verhandlung gegeben. Dies ist hier geschehen. Das Unterbleiben der Belehrung nach § 131 ZPO führte dazu, dass der Beklagte vom Erstgericht in den zwei Tagsatzungen als postulationsunfähig und damit als nicht erschienen angesehen wurde, fällte es doch ein Versäumungsurteil, ohne sein bis dahin erstattetes Vorbringen zu beachten und ohne dem Beklagten nach Erkennen des Belehrungsfehlers die Möglichkeit einzuräumen, einen Rechtsanwalt beizuziehen. Er wurde also durch einen ungesetzlichen Vorgang völlig vom Verfahren ausgeschlossen, sodass eine Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 Z 4 ZPO vorliegt.