19.03.2009 Verfahrensrecht

OGH: Zum Verschulden bei der Wiederaufnahmsklage iSd § 530 Abs 2 ZPO

Unterließ die Partei im Vorprozess das Anbot von Beweismitteln, mit deren Vorhandensein sie auch bei gehöriger Aufmerksamkeit nicht rechnen musste, liegt kein Verschulden vor


Schlagworte: Wiederaufnahmsklage, Verschulden, nova reperta, Diligenzpflicht
Gesetze:

§ 530 ZPO

GZ 10 Ob 106/08y, 22.12.2008

OGH: Nach § 530 Abs 2 ZPO ist eine auf die behauptete Kenntnis neuer Beweismittel gestützte Wiederaufnahmsklage nur dann zulässig, wenn die Partei ohne ihr Verschulden außer Stande war, die neuen Beweismittel vor Schluss der mündlichen Verhandlung, auf welche die Entscheidung erster Instanz erging, geltend zu machen. Den Wiederaufnahmskläger trifft bei dem hier geltend gemachten Wiederaufnahmsgrund nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass ihn kein Verschulden daran trifft, die nun geltend gemachten Tatsachen und Beweismittel nicht schon im Vorprozess vorgebracht zu haben. Nicht ausreichende Behauptungen machen die Wiederaufnahmsklage unschlüssig und führen zur Zurückweisung der Klage schon im Vorverfahren. Schon benützbare Beweismittel dürfen daher nicht einem Wiederaufnahmsverfahren vorbehalten werden. Ein Verschulden liegt somit vor, wenn die Partei bereitstehende Beweismittel (zB die Beischaffung einer Krankengeschichte) nicht anbietet, obwohl die Bedeutung der Beweismittel ohne weiteres erkennbar war. Unterließ die Partei im Vorprozess hingegen das Anbot von Beweismitteln, mit deren Vorhandensein sie auch bei gehöriger Aufmerksamkeit nicht rechnen musste, liegt kein Verschulden vor. Die Beurteilung, ob die Klageangaben geeignet sind, ein mangelndes Verschulden iSd § 530 Abs 2 ZPO darzulegen, ist stets von den besonderen Umständen des Einzelfalls abhängig.

Die anzuwendende prozessuale Diligenzpflicht findet ihre Grenze in der Anwendung der zumutbaren Sorgfalt, wobei sich die Zumutbarkeit nach den Umständen des Einzelfalls richtet. Die Vorinstanzen sind bei ihrer Entscheidung von diesen dargelegten Grundsätzen ausgegangen und haben zutreffend auf die prozessuale Diligenzpflicht der Parteien hingewiesen. Die Wiederaufnahmsklägerin hätte danach darzulegen gehabt, aus welchen Gründen sie im Vorprozess gehindert war, die Vorlage bzw Beischaffung der von der behandelnden Ärztin geführten Krankengeschichte zu beantragen. Zur Diligenzpflicht gehört die Mitwirkung an der Stoffsammlung. Die Parteien haben Zeugen zu führen, den Sachverständigenbeweis oder die Beischaffung von Auskünften zu beantragen.