02.04.2009 Verfahrensrecht

OGH: Verletzung des rechtlichen Gehörs im Außerstreitverfahen

Legt das Rekursgericht der Rekursentscheidung Tatsachen und Beweisergebnisse zugrunde, zu denen sich die Beteiligten nicht äußern konnten, wird das rechtliche Gehör verletzt; daher müssen den Parteien zumindest die Ergebnisse der Erhebungen vor der Beschlussfassung zur Kenntnis gebracht und muss ihnen eine Frist zur Stellungnahme gesetzt werden


Schlagworte: Außerstreitrecht, Verlassenschaftsverfahren, Verletzung des rechtlichen Gehörs, Rekursentscheidung unter Heranziehung von Tatsachen und Beweisergebnissen zu denen sich Beteiligte nicht äußern konnten, Darlegung der Entscheidungserheblichkeit des Verfahrensverstoßes durch Beteiligte, Aufhebung der Rekursentscheidung
Gesetze:

§ 58 AußStrG, § 66 AußStrG

GZ 10 Ob 56/08w, 27.01.2009

E hinterließ mehrere letztwillige Verfügungen. In der ältesten setzte sie ihre Adoptivtochter Nadia als Erbin ein, in der zeitlich am kürzesten zurückliegenden Verfügung machte sie Natalie, welche sie ebenfalls zu adoptieren wünschte, zur Alleinerbin. Zum Zeitpunkt des Todes der E stand für die Adoption der Natalie die gerichtliche Genehmigung noch aus. Im Verlassenschaftsverfahren begehrt nun Nadia von Natalie die Räumung der beiden von ihr (zuvor gemeinsam mit E bewohnten) Mietwohnungen. Natalie (Antragstellerin, Rechtsmittel- bzw Revisionsrekurswerberin) wendet ein, dass erst nach gerichtlicher Versagung des Adoptionsvertrages ihr Eintritt in die Mietverträge nach § 14 MRG ausgeschlossen sei und begehrt daher die Aufhebung der Räumungsermächtigung.

OGH: Zwecks Wahrung des rechtlichen Gehörs wäre es geboten gewesen, der Antragstellerin, als am Rechtsmittelverfahren beteiligter Partei, vom Inhalt der vorgelegten Mietverträge so rechtzeitig Kenntnis zu verschaffen, dass für sie noch vor der Sachentscheidung die Möglichkeit zu einer (schriftlichen) Äußerung bestanden hätte. Zu den Revisionsrekursgründen zählt nach § 66 Abs 1 Z 1 AußStrG auch die Verletzung des rechtlichen Gehörs. Dieser in § 58 Abs 1 Z 1 AußStrG geregelte Anfechtungsgrund wirkt aber nicht mehr - wie die Nichtigkeitsgründe nach der ZPO - absolut und muss nicht jedenfalls zu einer Aufhebung der mit einem solchen Mangel behafteten Sachentscheidung führen.

Der Anfechtungsgrund ist aber wahrzunehmen, wenn er zum Nachteil des Revisionsrekurswerbers ausschlagen könnte. Gem § 58 Abs 1 und 3 AußStrG ist vor der Entscheidung auf Aufhebung und Zurückverweisung der Außerstreitsache an eine Vorinstanz zu prüfen, ob nicht eine Bestätigung "selbst aufgrund der Angaben im (Revisions-)Rekursverfahren" oder eine Abänderung ohne weitere Erhebungen möglich ist. Um diese Prüfung vornehmen zu können, muss daher von einem Revisionsrekurswerber, der die Verletzung seines rechtlichen Gehörs geltend macht, gefordert werden, dass er seine Rüge durch Darlegung der Entscheidungserheblichkeit des Verfahrensverstoßes entsprechend konkretisiert.

Im vorliegenden Fall hat die Rechtsmittelwerberin dazu ausgeführt, sie hätte, wenn ihr eine Äußerungsmöglichkeit geboten worden wäre, vorgebracht, dass es sich bei den gegenständlichen Verträgen nicht um Untermietverträge, sondern um Umgehungsgeschäfte nach § 2 Abs 3 MRG handle. Diese - auch vom Rekursgericht (in der Begründung der Abänderung des Zulassungsausspruchs) zugestandene - Verletzung des rechtlichen Gehörs muss im Revisionsrekursverfahren zur Aufhebung der von diesem Verfahrensverstoß betroffenen Entscheidung des Rekursgerichts führen.

Der Anfechtungsgrund des Entzugs des rechtlichen Gehörs ist somit wahrzunehmen, weil er zum Nachteil der Revisionsrekurswerberin ausschlagen könnte. Da der Antragstellerin vor den Sachentscheidungen in erster und zweiter Instanz kein Äußerungsrecht zum Inhalt der Mietverträge eingeräumt wurde und sie zu diesem Beweisergebnis wegen des nach § 66 Abs 2 AußStrG geltenden Neuerungsverbots im Revisionsrekurs nicht mehr Stellung nehmen kann, ist sie durch diese Vorgangsweise in ihrem rechtlichen Gehör verletzt. Da diese Stellungnahme nicht ermöglicht wurde, fehlt auch allen übrigen in den Rekursbeantwortungen vorgebrachten Argumenten, die sich auf den Inhalt der Mietverträge stützen, die Grundlage.

Die Entscheidung des Rekursgerichts ist daher aufzuheben.