16.04.2009 Verfahrensrecht

OGH: Zu den Einschränkung des rechtlichen Gehörs im Sachwalterbestellungsverfahren

Nur wenn feststeht, dass der Betroffene gänzlich unfähig ist, der Verhandlung im Sachwalterbestellungsverfahren zu folgen oder sein Wohl bei Anwesenheit in der Verhandlung gefährdet wäre, ist von einer Ladung abzusehen


Schlagworte: Außerstreitverfahren, Sachwalterbestellungsverfahren, rechtliches Gehör, Einschränkung
Gesetze:

§ 118 AußStrG, § 121 AußStrG

GZ 7 Ob 278/08w, 11.02.2009

Der Revisionsrekurswerber macht im Wesentlichen geltend, das Unterbleiben seiner persönlichen Befragung durch den Richter und den Sachverständigen verstoße gegen grundlegende Verfahrensvorschriften. Das Erstgericht habe gar nicht den Versuch unternommen, eine mündliche Verhandlung gem § 121 Abs 3 AußStrG "an dem Ort durchzuführen, an dem sich die betroffene Person befindet". Sein rechtliches Gehör sei verletzt worden, weil der Sachwalterbeschluss gefällt worden sei, ohne dass ein Sachverständiger ihn begutachtet habe.

OGH: Die Verletzung rechtlichen Gehörs kann im Außerstreitverfahren auch dann im Revisionsrekurs geltend gemacht werden, wenn sie vom Rekursgericht verneint wurde. Verletzt wird das verfassungsrechtlich in Art 6 Abs 1 EMRK verbürgte und in § 15 AußStrG auch für das Außerstreitverfahren ausdrücklich statuierte rechtliche Gehör nicht nur dann, wenn einer Partei die Möglichkeit, sich im Verfahren zu äußern, überhaupt genommen wird, sondern auch dann, wenn einer gerichtlichen Entscheidung Tatsachen und Beweisergebnisse zugrundegelegt werden, zu denen sich die Beteiligten nicht äußern konnten. Eine vom Revisionsrekurswerber behauptete "Verletzung grundlegender Verfahrensvorschriften" ist schon deshalb gegeben, weil der Betroffene entgegen § 121 Abs 2 AußStrG zu den mündlichen Verhandlungen nicht wirksam geladen wurde. Nur wenn feststeht, dass der Betroffene gänzlich unfähig ist, der Verhandlung zu folgen oder sein Wohl bei Anwesenheit in der Verhandlung gefährdet wäre, ist von einer Ladung abzusehen.

Ohne die betroffene Person kann nach § 121 Abs 3 AußStrG nur dann verhandelt werden, wenn deren Erscheinen vor Gericht unmöglich, untunlich oder ihrem Wohl abträglich ist und die mündliche Verhandlung auch nicht an dem Ort durchgeführt werden kann, an dem sich die betroffene Person befindet. Liegt keine dieser (wohl mit Hilfe eines Sachverständigen zu prüfenden) Voraussetzungen vor, ist kein Fall des § 121 Abs 3 AußStrG gegeben. Diese Bestimmung regelt nicht, was zu geschehen hat, wenn die betroffene Person aus anderen als den in Abs 3 Satz 1 angeführten Gründen, also etwa mutwillig, nicht zur mündlichen Verhandlung erscheint. Das nicht nach Abs 3 leg cit zu rechtfertigende Fernbleiben einer ordnungsgemäß geladenen betroffenen Person kann jedenfalls nicht mit dem Hinweis abgetan werden, sie habe es selbst zu vertreten, wenn sie sich der Mitwirkung an der Verhandlung und damit einer Befragung durch Gericht und Sachverständige entziehe. Um die Entscheidung, ob einer betroffenen Person ein Sachwalter zu bestellen ist, entsprechend den gesetzlich vorgesehenen Kriterien verlässlich treffen zu können, ist vielmehr in einem solchen Fall ein Vorgehen analog § 118 Abs 2 Satz 1 AußStrG in aller Regel unumgänglich; die betroffene Person ist also mit der nötigen Schonung vorzuführen.