30.04.2009 Verfahrensrecht

OGH: Zur Rechtskraftfähigkeit von im außerstreitigen Verfahren ergangenen Entscheidungen

Auch Entscheidungen, die im außerstreitigen Verfahren ergangen sind, sind - selbst wenn sie den Antrag abweisen - der materiellen und formellen Rechtskraft fähig


Schlagworte: Außerstreitverfahren, Pflegschaftssachen, Rechtskraft, Antragsabweisung, Bindungswirkung
Gesetze:

§ 42 AußStrG, § 43 AußStrG, § 411 ZPO

GZ 10 Ob 99/08v, 24.02.2009

OGH: Auch im außerstreitigen Verfahren ergangene Entscheidungen sind der materiellen und formellen Rechtskraft fähig und binden die Betroffenen und das Gericht. Auch im außerstreitigen Verfahren ist die materielle Rechtskraft einer Entscheidung in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachten. Nur gegenüber nachträglichen Tatbestandsänderungen hält die materielle Rechtskraft nicht stand. Im außerstreitigen Verfahren ergangene Entscheidungen können daher nur bei einer Änderung der Verhältnisse abgeändert werden. Es kommt daher grundsätzlich auch abweisenden Beschlüssen im Außerstreitverfahren die gleiche Rechtskraftwirkung wie einem nach den Vorschriften der ZPO ergangenen Urteil oder Beschluss (§ 411 ZPO) zu, wobei die materielle Rechtskraft lediglich nachträglichen Änderungen des rechtserzeugenden Sachverhalts nicht standhält. Das Ausmaß der Bindungswirkung wird zwar durch den Spruch bestimmt, doch genießt die abweisende Entscheidung des Außerstreitrichters Rechtskraft auch nach Maßgabe ihres Inhalts. Bei der Beurteilung des Vorliegens einer nachträglichen Änderung des rechtserzeugenden Sachverhalts ist darauf abzustellen, ob sich die Verhältnisse wesentlich und nicht bloß unbedeutend geändert haben. Diese Änderung muss daher den für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt betreffen. Diese Rechtskraftwirkung hat allerdings bei bloß vorläufigen Maßnahmen nach § 176 ABGB eine nur eingeschränkte Bedeutung, da das Gericht bei geänderten Verhältnissen ohne Rücksicht auf seine früheren Anordnungen die im Interesse des Minderjährigen notwendigen neuen Anordnungen zu treffen hat. Die Entscheidungen des Pflegschaftsgerichts haben also auch in diesem Bereich nur soweit Rechtskraftwirkung, als keine Änderung der Verhältnisse eintritt.