10.09.2009 Verfahrensrecht

OGH: Bemessungsgrundlage in Streitigkeiten über Klagen nach § 1330 ABGB - kann bei mehreren inkriminierten Äußerungen die (Höchst-)Bemessungsgrundlage des § 10 Z 6 lit a RATG für jede Äußerung gesondert herangezogen werden?

Die in § 10 Z 6 lit a RATG normierte Höchstgrenze darf bei mehrfachen, unterschiedlichen Begehren auf Unterlassung, Widerruf oder Veröffentlichung insgesamt nicht überschritten werden


Schlagworte: Rechtsanwaltstarif, Bemessung, Kreditschädigungsverfahren
Gesetze:

§ 10 RATG

GZ 1 Ob 97/09k, 09.06.2009

OGH: Der Rechtsanwalt hat seinem Klienten gegenüber in erster Linie Anspruch auf das vereinbarte Entgelt. Besteht keine Vereinbarung, hat er Anspruch auf angemessenes Entgelt, für das in erster Linie der Rechtsanwaltstarif heranzuziehen ist. Nach § 10 Z 6 lit a RATG beträgt die Bemessungsgrundlage in Streitigkeiten über Klagen nach § 1330 ABGB, soweit der Gegenstand nicht aus einem Geldbetrag besteht (hier Unterlassung und Veröffentlichung des Widerrufs), bei Verbreitung der Behauptung in einem Medium höchstens 19.620 EUR.

In seiner Klage hat der Beklagte insgesamt sechs, in einer Fachzeitschrift veröffentlichte Äußerungen inkriminiert, die Unterlassung dieser und inhaltsgleicher Aussagen sowie die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung begehrt. Als Bemessungsgrundlage wurden für drei Äußerungen jeweils 19.200 EUR sowie für die drei verbleibenden je 5.000 EUR angesetzt, insgesamt also 72.600 EUR. Diese Bemessungsgrundlage will der Kläger auch seinem Honoraranspruch zugrunde legen.

§ 10 Z 6 lit a RATG stellt eine zwingende Bewertungsvorschrift zur Kostenbemessung im zivilrechtlichen Kreditschädigungsverfahren dar; nur innerhalb der darin genannten Höchstgrenzen kann der Kläger die einzelnen Ansprüche (Unterlassung, Widerruf, Veröffentlichung) frei bewerten. Durch die höchstgerichtliche Judikatur ist damit bereits klargestellt, dass die in § 10 Z 6 lit a RATG normierte Höchstgrenze bei mehrfachen, unterschiedlichen Begehren auf Unterlassung, Widerruf oder Veröffentlichung insgesamt nicht überschritten werden darf. Dabei lag mehreren Entscheidungen nicht nur eine, in der Klage beanstandete Äußerung zugrunde. Entgegen der Auffassung des Klägers spielt es im konkreten Fall daher keine Rolle, dass insgesamt sechs, in einem Medium veröffentlichte Äußerungen in der Klage beanstandet wurden. Der Sinn der mit der Mediengesetznovelle 1992 eingeführten Höchstbemessungsgrundlage in Mediensachen war es, zu vermeiden, bei übermäßiger Bewertung des Streitgegenstands den Prozessgegner wegen des hohen Kostenrisikos einem beträchtlichen wirtschaftlichen Druck auszusetzen. Dieses Ziel lässt sich nicht erreichen, wenn jede einzelne Äußerung in einer veröffentlichten Erklärung (hier: Zeitungsinterview), gesondert bewertet wird.

Die zwingenden Bewertungsvorschriften des RATG sind entgegen der Ansicht des Klägers nur für die Bemessung der Kosten des Rechtsanwalts relevant, nicht aber für die Bewertung des Entscheidungsgegenstands durch das Berufungsgericht (§ 500 Abs 2 Z 1 ZPO) und die Zulässigkeit der Anrufung des OGH. Die fehlende Bindung des Berufungs- bzw Rekursgerichts beim Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstands zeigt sich in der Praxis darin, dass unabhängig von der angenommenen Höchstbemessungsgrundlage nach § 10 Z 6 lit a RATG der Wert des Entscheidungsgegenstands mit über 20.000 EUR (früher 260.000 S) bewertet wurde. Dass der OGH (und zwar der für Mediensachen zuständige Fachsenat) diesen Grundsatz der höchstzulässigen Bemessung bisher nur im Rahmen der Kostenentscheidung geprägt hat, steht seiner Anwendung in einem derartigen Honorarprozess nicht entgegen, gilt doch das RATG bzw der RAT (mangels anderer Vereinbarung) als Grundlage für die Bemessung der Anwaltskosten im Verhältnis zum Mandanten genauso wie bei Beurteilung des Kostenersatzes an den Prozessgegner.