24.09.2009 Verfahrensrecht

OGH: Zum Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts iSd Art 3 EuEheVO

Beim gewöhnlichen Aufenthalt iSd Art 3 EuEheVO handelt es sich um einen Ort, der in gewisser Weise mit einer bestimmten Dauerhaftigkeit den "Lebensmittelpunkt" der betreffenden Person bildet; für die Ausfüllung des Kriteriums "Lebensmittelpunkt" hat bei freien und erwachsenen Menschen der Wille mittelbar ein erhebliches Gewicht


Schlagworte: Europäisches Zivilprozessrecht, Zuständigkeit, Ehesachen, gewöhnlicher Aufenthalt
Gesetze:

Art 3 EuEheVO

GZ 1 Ob 115/09g, 06.07.2009

OGH: Die EuEheVO enthält keine nähere Bestimmung des Begriffs "gewöhnlicher Aufenthalt". Die Materialien nehmen Bezug auf die vom EuGH gegebene Definition des "ständigen Wohnsitzes". Inwieweit nicht nur bei der Definition des "ständigen Wohnsitzes", sondern auch des "gewöhnlichen Aufenthalts" dem Willenselement besondere Bedeutung zukommt, wird in der einschlägigen Literatur mit unterschiedlichen Nuancierungen diskutiert. Den unterschiedlichen Ansätzen kommt im Regelfall keine weitreichende Bedeutung zu, zumal unstrittig ist, dass es sich jeweils um einen Ort handelt, der in gewisser Weise mit einer bestimmten Dauerhaftigkeit den "Lebensmittelpunkt" der betreffenden Person bildet. Auch wenn man den Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts primär oder allein nach tatsächlichen Kriterien bestimmen wollte, kann nicht übersehen werden, dass für die Ausfüllung des Kriteriums "Lebensmittelpunkt" bei freien und erwachsenen Menschen der Wille mittelbar ein erhebliches Gewicht hat.

Dass eine bestimmte Wohnung den Lebensmittelpunkt eines Menschen bildet, wird umso eher zu bejahen sein, wenn dieser keinen anderen Ort hat, der während der zu beurteilenden Zeitspanne für sein Privat- und Berufsleben zumindest annähernd gleich hohe Bedeutung hat.