23.10.2009 Verfahrensrecht

OGH: Zur Frage der Zulässigkeit einer Wiederaufnahmsklage nach einem Anerkenntnisurteil

Die Wiederaufnahme des Verfahrens gem § 530 Abs 1 Z 7 ZPO ist unter den allgemeinen Voraussetzungen auch gegen Anerkenntnisurteile zulässig, wenn der Wiederaufnahmskläger neue Tatsachen geltend machen kann, die ihn vom Anerkenntnis abgehalten und voraussichtlich zu einer für ihn günstigen Sachentscheidung geführt hätten


Schlagworte: Erkenntnisverfahren, Anerkenntnis, Wiederaufnahmsklage
Gesetze:

§ 530 ZPO

GZ 6 Ob 30/09v, 05.08.2009

OGH: Das prozessuale Anerkenntnis ist die einseitige Erklärung des Beklagten an das Gericht in der prozessrechtlich vorgeschriebenen Form, dass der vom Kläger geltend gemachte Klageanspruch ganz oder teilweise berechtigt ist. Es umfasst den Streitgegenstand, nämlich die Behauptung der rechtserzeugenden Tatsachen, das darauf gegründete Begehren und die Ableitung des Begehrens. Es stellt als Prozesshandlung eine auf die Gestaltung des Prozessrechtsverhältnisses gerichtete Willenserklärung dar.

Durch ein Anerkenntnis wird dem Richter die Prüfung der Tatsachengrundlagen wie bei einem Geständnis entzogen. Diese Wirkung steht im Konflikt zu der Rechtsprechung, dass die Verwertung neuer Tatsachen und Beweismittel gem § 530 Abs 1 Z 7 ZPO unzulässig ist, wenn sie den vorherigen Widerruf eines vom Wiederaufnahmskläger im Vorprozess abgelegten Tatsachengeständnisses voraussetzen würde, weil die Wiederaufnahme nicht wegen einer bloßen Änderung des Prozessstandpunkts zulässig ist. Die Wiederaufnahmsklage wegen neuer Tatsachen und Beweismittel gegen ein Anerkenntnisurteil ist daher nur insoweit zuzulassen, als die neuen Tatsachen und Beweismittel nicht den vom Anerkenntnis vorausgesetzten Sachverhalt - also den rechtserzeugenden Tatbestand des anerkannten Begehrens - umfassen. Dabei ist vom Klagebegehren auszugehen, sodass rechtsvernichtende Einwendungen aufgrund neu hervorgekommener, im Vorprozess noch nicht bekannter Tatsachen nicht grundsätzlich ausgeschlossen sind.

Die Wiederaufnahme des Verfahrens gem § 530 Abs 1 Z 7 ZPO ist unter den allgemeinen Voraussetzungen auch gegen Anerkenntnisurteile zulässig, wenn der Wiederaufnahmskläger neue Tatsachen geltend machen kann, die ihn, hätte er sie im Vorprozess bereits gekannt, vom Anerkenntnis abgehalten und voraussichtlich zu einer für ihn günstigen Sachentscheidung geführt hätten. Der Umstand, dass die Entscheidung im Vorprozess auf einem Unterwerfungsakt einer Partei beruht, oder dass ein solcher für sie zumindest mitursächlich ist, steht einer gegen Anerkenntnis- und Verzichtsurteile gerichteten Wiederaufnahme nicht entgegen.