23.10.2009 Verfahrensrecht

OGH: EuGVVO - zur Kernpunkttheorie des EuGH

Klagen "wegen desselben Anspruchs" iSd Art 27 EuGVVO liegen nach der Kernpunkttheorie des EuGH dann vor, wenn es im Kernpunkt beider Rechtsstreitigkeiten um dieselbe Frage geht


Schlagworte: Europäisches Zivilprozessrecht, Streitgegenstand, Klagen wegen desselben Anspruchs, Kernpunkttheorie
Gesetze:

Art 27 EuGVVO, Art 34 EuGVVO

GZ 6 Ob 122/09y, 05.08.2009

OGH: Art 27 EuGVVO verlangt ua, dass Klagen "wegen desselben Anspruchs" anhängig gemacht werden. Der EuGH legt diesen Begriff nicht nach dem jeweiligen nationalen Prozessrecht, sondern verordnungsautonom nach dem Zweck der Bestimmung aus und hat dabei die französische Fassung der Bestimmung - und nicht den zitierten deutschen Wortlaut - zugrunde gelegt; nach der französischen Fassung ist aber eine Identität des Klagsanspruchs immer schon dann gegeben, wenn Gegenstand und Grundlage der Klagen ident sind. Der EuGH postuliert daher einen weiten Verfahrensgegenstandsbegriff, was regelmäßig als "Kernpunkttheorie" bezeichnet wird. Es ist daher entscheidend, ob es im Kernpunkt beider Rechtsstreitigkeiten um dieselbe Frage geht, sodass nach der Logik nur eine einheitliche Entscheidung für beide Parteien möglich ist. Ziel ist die Vermeidung miteinander unvereinbarer Urteile nach dem Unvereinbarkeitsbegriff des Art 34 Abs 3 EuGVVO, also die Vermeidung eines unauflösbaren Widerspruchs der Entscheidungen.

Da die Klägerin in beiden Verfahren die Beseitigung des Abtretungsvertrags und die Rückgewinnung ihrer Alleingesellschafterstellung in der Gesellschaft bzw der Eigentumswohnung in Palma de Mallorca anstrebt, ist vom selben Gegenstand der beiden Klagen auszugehen.