03.12.2009 Verfahrensrecht

OGH: Zum Begriff des Ausrichtens iSd Art 15 Abs 1 lit c EuGVVO

Unter den Begriff des "Ausrichtens" iSd Art 15 Abs 1 lit c EuGVVO fällt nicht nur die gezielt auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers gerichtete Werbung, erfasst sind alle auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers ausgerichteten absatzfördernden Handlungen


Schlagworte: Europäisches Zivilprozessrecht, Zuständigkeit, Verbrauchersachen, Ausrichten
Gesetze:

Art 15 EuGVVO

GZ 1 Ob 158/09f, 08.09.2009

OGH: Der Revisionsrekurs der beklagten Partei ist zulässig, aber nicht berechtigt.1. Voraussetzung für das Vorliegen einer Verbrauchersache nach Art 15 Abs 1 EuGVVO ist zunächst eine Vertragsbeziehung zwischen einem Endverbraucher und einer beruflich oder gewerblich tätig werdenden Person (beklagte Partei). Die zitierte Bestimmung engt den Anwendungsbereich der Sonderregelung ein auf: den Kauf beweglicher Sachen auf Teilzahlung (lit a), ein Abzahlungsgeschäft zur Finanzierung eines Kaufs derartiger Sachen (lit b), und das Tätigwerden des Unternehmers im bzw die Ausrichtung seiner Tätigkeit auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers (lit c).

Die EuGVVO hat den Kreis der Verbrauchersachen gegenüber dem EuGVÜ erweitert. Der Begriff des "Ausrichtens" erfasst jedenfalls die in Art 13 Abs 1 Z 3 lit a EuGVÜ genannte "Werbung", geht aber darüber noch hinaus. Nicht nur die (wie schon nach dem EuGVÜ) gezielt auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers gerichtete Werbung fällt darunter. Erfasst sind alle auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers ausgerichteten absatzfördernden Handlungen.

Rat und Kommission weisen in einer zu Art 15 EuGVVO abgegebenen gemeinsamen Erklärung darauf hin, dass das Ausrichten alleine nicht ausreiche, sondern im Rahmen dieser Tätigkeiten auch ein Vertrag geschlossen werden müsse, sowie dass diese Bestimmung mehrere Absatzformen, darunter Vertragsabschlüsse im Fernabsatz über Internet, betreffen.

Für die zu fordernde Zielgerichtetheit der Tätigkeit des Unternehmens reicht ein bloßes "doing business" nicht aus. Das einmalige Versenden von Katalogen an Einzelpersonen genügt ebensowenig wie eine Empfehlung durch Bekannte oder das Bereithalten von Formularen des späteren Vertragspartners zur Ausfüllung durch den vom Verbraucher eingeschalteten Vermittler.

Art 15 Abs 1 lit c EuGVVO fordert - im Gegensatz zur Vorgängerbestimmung des Art 13 Abs 1 Z 3 lit b EuGVÜ - nicht, dass der Verbraucher die zum Abschluss des Vertrags erforderlichen Rechtshandlungen in seinem Wohnsitzstaat vorgenommen haben muss. Der Ort des Vertragsabschlusses (Österreich oder Deutschland) ist daher nicht relevant.