14.01.2010 Verfahrensrecht

OGH: Einstweilige Verfügungen dürfen keine Sachlage schaffen, die nicht mehr rückgängig gemacht werden kann

Es geht nicht um zeitweilige Beeinträchtigungen, wie sie bei einstweiligen Verfügungen unvermeidbar sind, sondern um auch für die Zukunft irreparable Konsequenzen bestimmter Anordnungen


Schlagworte: Exekutionsrecht, einstweilige Verfügung
Gesetze:

§§ 378 ff EO

GZ 17 Ob 13/09z, 19.11.2009

OGH: Richtig ist, dass einstweilige Verfügungen nach stRsp keine Sachlage schaffen dürfen, die im Fall eines die einstweilige Verfügung nicht rechtfertigenden Urteils nicht rückgängig gemacht werden kann. Grundsätzlich hat aber jede einstweilige Verfügung Auswirkungen, die nachträglich nicht völlig aus der Welt geschafft werden können. Insbesondere kann ein einstweilen angeordnetes Unterlassen nicht rückwirkend durch ein Handeln ersetzt werden; dennoch sind Unterlassungsverfügungen im Regelfall unstrittig zulässig. Zu unterbleiben haben daher nur solche Sicherungsmaßnahmen, die unwiederbringliche Eingriffe in die Rechtssphäre des Gegners nach sich ziehen. Es geht also nicht um zeitweilige Beeinträchtigungen, wie sie bei einstweiligen Verfügungen unvermeidbar sind, sondern um auch für die Zukunft irreparable Konsequenzen bestimmter Anordnungen.

Solche Konsequenzen liegen etwa vor, wenn konkrete Eingriffsgegenstände vernichtet oder derelinquiert werden müssten; diese wären dann ja endgültig verloren. Hingegen kann ein unterbliebener oder zurückgenommener Antrag auf Aufnahme in den Erstattungskodex zweifellos nachgeholt werden, wenn sich der Anspruch im Hauptverfahren als unberechtigt erweisen sollte. Denn damit gibt der Antragsteller - anders als bei der Löschung einer Firma oder beim Verzicht auf eine Domain - keine Position auf, die andere rechtlich oder tatsächlich ausschließt. Daher besteht auch nicht die Gefahr, dass ein Mitbewerber die Stelle des Arzneimittels der Beklagten im Erstattungskodex "besetzen" und damit dessen neuerliche Aufnahme unmöglich machen könnte. Vielmehr liegt die Beeinträchtigung der Beklagten allein darin, dass ihr Arzneimittel für eine bestimmte Zeit nicht im Erstattungskodex aufscheint. Weder das Unterbleiben eines Antrags noch dessen Rücknahme hat daher auf Dauer irreparable Konsequenzen.

Aufgrund dieser Erwägungen ist die beantragte einstweilige Verfügung zu erlassen. Das gilt nicht nur für das Verbot eines (weiteren) Antrags, sondern auch für das Gebot, den bereits gestellten Antrag zurückzuziehen. Denn wer durch einen Gesetzesverstoß einen störenden Zustand geschaffen hat, stört weiter, solange dieser Zustand andauert. Seine Verpflichtung, den gesetzwidrigen Zustand zu beseitigen, besteht unabhängig davon, ob die "Störquellen" bereits vor Schaffung des Titels vorhanden waren. In diesem Zusammenhang ist auch eine einstweilige Verfügung zulässig, die auf ein aktives Tun gerichtet ist.