28.01.2010 Verfahrensrecht

OGH: Wiederaufnahme des Verfahrens und Bindung an Straferkenntnis

Im Fall der Wiederaufnahme eines mit Schuldspruch beendeten Strafverfahrens besteht die Bindung des Zivilgerichts an das Straferkenntnis so lange, als es nicht nach Wiederaufnahme des Strafverfahrens zu dessen rechtskräftiger Einstellung oder einem rechtskräftigen Freispruch gekommen ist


Schlagworte: Erkenntnisverfahren, Rechtsmittel, Wiederaufnahme des Verfahrens, Straferkenntnis, Bindung
Gesetze:

§ 530 ZPO, § 358 StPO

GZ 4 Ob 166/09d, 19.11.2009

OGH: Der Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs 1 Z 5 ZPO setzt voraus, dass die rechtskräftige präjudizielle Vorentscheidung (auf die sich die angefochtene Entscheidung im wiederaufzunehmenden Verfahren stützt) durch eine andere rechtskräftige Entscheidung aufgehoben wurde. Entgegen dem Gesetzeswortlaut beginnt der Fristenlauf erst dann, wenn die Rechtskraft der aufhebenden Entscheidung nach außen erkennbar in Erscheinung tritt und der Wiederaufnahmskläger davon Kenntnis erlangt oder bei pflichtgemäßer Sorgfalt Kenntnis erlangen konnte.

Im Fall der Wiederaufnahme eines mit Schuldspruch beendeten Strafverfahrens, auf das sich die Entscheidung des wiederaufzunehmenden Zivilverfahrens gründet, ist nach herrschender Auffassung nicht die Aufhebung des verurteilenden strafgerichtlichen Erkenntnisses durch die Bewilligung der Wiederaufnahme entscheidend, sondern erst die mit materieller Rechtskraftwirkung ausgestattete Beendigung der Strafverfolgung hinsichtlich jenes Straftatbestands, der dem wiederaufzunehmenden Zivilverfahren zugrundegelegt wurde. Danach besteht die Bindung des Zivilgerichts an das Straferkenntnis so lange, als es nicht nach Wiederaufnahme des Strafverfahrens zu dessen rechtskräftiger Einstellung oder einem rechtskräftigen Freispruch gekommen ist.

Diese Bindung des Zivilgerichts an die vorangegangene strafgerichtliche Verurteilung über die Bewilligung der Wiederaufnahme des Strafverfahrens hinaus bis zur rechtskräftigen Beendigung des Strafverfahrens ergibt sich aus § 358 StPO. Danach wird das frühere Urteil durch den Beschluss, der der Wiederaufnahme des Strafverfahrens stattgibt, nur insoweit für aufgehoben erklärt, als es die strafbare Handlung betrifft, hinsichtlich der die Wiederaufnahme bewilligt wird. Die gesetzlichen Folgen der im ersten Erkenntnis ausgesprochenen Verurteilung dauern aber einstweilen fort und sind nur dann und insoweit als aufgehoben anzusehen, als sie nicht auch durch das neue Erkenntnis einzutreten haben.