04.02.2010 Verfahrensrecht

OGH: Schon vor einer Beschlussfassung iSd § 71 ZPO bestehender "bedingter" Honoraranspruch des Verfahrenshilfeanwalts, zu dessen Sicherung er zur Hinterlegung nach § 19 Abs 3 RAO berechtigt ist?

§ 19 Abs 3 RAO normiert kein Recht des der Partei beigegebenen Verfahrenshelfers, zur Sicherung der Vollstreckbarkeit eines möglicherweise ergehenden Beschlusses, der die Partei zu seiner tarifmäßigen Entlohnung verpflichtet, den von ihm als Entlohnung begehrten Betrag bis zu einer denkbaren Entscheidung iSd § 71 ZPO bei Gericht zu hinterlegen


Schlagworte: Verfahrenshilfe, Honoraranspruch, Beschluss, Nachzahlung, gerichtliche Hinterlegung
Gesetze:

§ 71 ZPO, § 19 Abs 3 RAO, § 1425 ABGB

GZ 9 Ob 37/09w, 29.10.2009

Der beklagte Rechtsanwalt hat die Klägerin in einem Vorverfahren als Verfahrenshelfer vertreten. Mit dem in diesem Vorverfahren am 24. 10. 2007 abgeschlossenen Vergleich verpflichtete sich die dort beklagte Partei bei gegenseitiger Kostenaufhebung, der Klägerin 150.000 EUR zu zahlen.

Ein vom Beklagten gestellter Antrag nach § 71 ZPO auf Nachzahlung der Rechtsanwaltskosten wurde abgewiesen.

Der Beklagte behielt vom ihm ausgezahlten Vergleichsbetrag 35.000 EUR ein. Er überwies diesen Betrag an die Verwahrstelle beim OLG Linz und stellte am 3. 9. 2008 unter Berufung auf § 1425 ABGB beim BG Salzburg den Antrag, diesen Erlag zu Gericht anzunehmen.

OGH: Nach § 71 ZPO ist die Partei ua zur tarifmäßigen Entlohnung des der Partei beigegebenen Rechtsanwalts verpflichtet, soweit und sobald sie ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts dazu imstande ist. Der Beklagte übersieht, dass nach § 71 Abs 1 ZPO der von der Partei dem Rechtsanwalt zu zahlende Betrag mit Beschluss festzusetzen ist. Das Gericht hat bei der Beschlussfassung über die Entlohnung des Rechtsanwalts dessen "Honorar" nicht nur der Höhe nach zu "bestimmen", sondern insoweit auch einen vollstreckbaren Leistungsbefehl zu erlassen. Die selbständige Einklagung der Entlohnung durch den Rechtsanwalt kommt hingegen nicht in Betracht; hiefür ist der Rechtsweg nicht zulässig. Dass bislang kein Beschluss nach § 71 ZPO ergangen ist, wird vom Beklagten nicht bestritten. Damit besteht aber derzeit für eine Verpflichtung der Klägerin zur (gänzlichen oder teilweisen) tarifmäßigen Entlohnung des Klägers keine Grundlage. Auch von einem "bedingten" unmittelbaren Anspruch des Beklagten gegen die Klägerin kann daher keine Rede sein.

Die vom Beklagten ins Treffen geführte Bestimmung des § 19 Abs 3 RAO kommt hier von vornherein nicht zum Tragen. Diese Bestimmung betrifft den vertraglichen Entlohnungsanspruch des Rechtsanwalts. Er normiert aber kein Recht des der Partei beigegebenen Verfahrenshelfers, zur Sicherung der Vollstreckbarkeit eines möglicherweise ergehenden Beschlusses, der die Partei zu seiner (gänzlichen oder teilweisen) tarifmäßigen Entlohnung verpflichtet, den von ihm als Entlohnung begehrten Betrag bis zu einer denkbaren Entscheidung iSd § 71 ZPO, allenfalls also für die Dauer der in § 71 ZPO genannten dreijährigen Frist (!), bei Gericht zu hinterlegen. Ein Erlagsrecht nach § 19 Abs 3 RAO besteht nur unter den in dieser Gesetzesstelle genannten Voraussetzungen.

Der Klägerin ist daher beizupflichten, dass der Beklagte den von ihrem Gegner für sie vereinnahmten Betrag unverzüglich in voller Höhe an sie auszufolgen hatte. Dieser Verpflichtung konnte er sich durch den von ihm beantragten Erlag nicht entziehen, weil er sich auf keinen gesetzlichen Hinterlegungsgrund berufen kann. Dass die folgerichtig vom Erlagsgericht vorgenommene Zurückweisung seines Erlagsantrags noch nicht in Rechtskraft erwachsen ist, ist in diesem Zusammenhang ohne Relevanz, weil der Erlag von vornherein ungeeignet war, die vom Beklagten damit angestrebten Wirkungen zu erzielen.