01.04.2010 Verfahrensrecht

OGH: Zur Frage, wann eine objektive Klagehäufung vorliegt

Eine objektive Klagehäufung liegt bereits dann vor, wenn in der Klage die Tatsachen eines gesamten Lebenssachverhalts vorgebracht werden, aus denen sich mehrere Begehren ableiten, die aus nicht deckungsgleichen Tatsachen entspringen


Schlagworte: Erkenntnisverfahren, objektive Klagenhäufung, Bestimmtheit
Gesetze:

§ 226 ZPO

GZ 3 Ob 258/09a, 27.01.2010

OGH: Eine objektive Klagehäufung ist dann gegeben, wenn gemeinsam vorgebrachte Rechtsschutzanträge geltend gemacht werden, die jeder für sich die Inhaltserfordernisse einer Klage erfüllen und jeweils ein Mindestmaß an Tatsachenbehauptungen und ein bestimmtes Begehren enthalten. Es genügt aber auch, wenn in der Klage die Tatsachen eines gesamten Lebenssachverhalts vorgebracht werden, aus denen sich mehrere Begehren ableiten, die aus nicht deckungsgleichen Tatsachen entspringen.

Der OGH hat zur Frage ob und inwieweit in Fällen einer objektiven Klagehäufung eine Aufschlüsselung erforderlich ist, um dem Bestimmtheitsgebot des § 226 ZPO zu entsprechen, stets eine genaue Aufgliederung gefordert und die Geltendmachung eines Pauschalbetrags als nicht ausreichend angesehen. Ohne eine solche Aufschlüsselung wäre es nämlich nicht möglich, den Umfang der Rechtskraft einer Teilabweisung des Zahlungsbegehrens zu bestimmen und damit die Frage zu beantworten, über welche der eingeklagten Forderungen (ganz oder teilweise) endgültig abgesprochen worden ist. Nur wenn eine solche Aufgliederung erfolgt, kann in einem Folgeprozess die der Zulässigkeit einer weiteren Sachentscheidung allenfalls entgegenstehende materielle Rechtskraft der früheren Entscheidung beurteilt werden.

Andererseits wurde aber auch auf die Zumutbarkeit einer solchen Aufgliederung abgestellt und die Forderung nach Angabe sämtlicher unselbständiger Teilpositionen bzw Einzelforderungen dann als Überspannung des Gebots der Präzisierung beurteilt, wenn sich ein auf einen einheitlichen Anspruchsgrund gestütztes Begehren aus zahlreichen Einzelforderungen zusammensetzt, die während eines längeren Zeitraums aufgelaufen sind. Handelt es sich um gleichartige Ansprüche können sie zu einem einheitlichen Begehren zusammengefasst werden; ein auf diese Weise geltend gemachter einheitlicher Gesamtschaden bedarf dann keiner weiteren Aufschlüsselung.

Im vorliegenden Fall umfassen nach der Klageerzählung die - jeweils sowohl auf den Titel des Schadenersatzes als auch der Gewährleistung gestützten - geltend gemachten "Mehrkosten" Positionen, die als Mängelbehebungskosten bzw Verbesserungsaufwand zu qualifizieren sind, wobei die Mängel nicht auf einen einzigen, sondern auf mehrfache Planungsfehler zurückgeführt werden. In anderen Klagepunkten werden aber auch aus angeblicher Schlechterfüllung entstehende weitere Schäden (Mangelfolgeschäden) geltend gemacht, wie zB die Kosten eines Sachverständigengutachtens zwecks Erfassung der behaupteten Planungsfehler, somit Schadenersatzansprüche, die der Beklagte nur bei Verschulden zu ersetzen hat. Es handelt sich demnach weder um die Geltendmachung einer Vielzahl in einem einheitlichen Begehren zusammengefasste Mängelbehebungskosten, noch um einen auf dieselbe Schadensursache zurückzuführenden einheitlichen Gesamtschaden, der mehrere unselbständige Teilpositionen umfasst. Vielmehr liegen mehrere, unterscheidbare Klagepositionen vor, die - wenngleich sie sich aus einem Lebenssachverhalt ableiten -, nicht deckungsgleichen Tatsachen entspringen und zudem ein unterschiedliches rechtliches Schicksal haben können. Wird in einem solchen Fall lediglich ein Teilschaden eingeklagt, hat der Kläger klarzustellen, welche Teile von seinem pauschal formulierten Begehren erfasst sein sollen.