08.04.2010 Verfahrensrecht

OGH: Zum Umfang eines bloß auf Gewährung der Bucheinsicht lautenden Exekutionstitels

Eine Verpflichtung zur Duldung der Anfertigung von Kopien besteht nicht, wenn sich aus dem Wortlaut des Spruches des den Exekutionstitel bildenden Beschlusses kein Hinweis darauf ergibt, dass unter "Einsicht" auch das Anfertigen von solchen Kopien zu verstehen ist


Schlagworte: Exekutionsrecht, Anspruch, Erfüllung, Bucheinsicht
Gesetze:

§ 7 EO, § 35 EO, § 354 EO

GZ 3 Ob 194/09i, 14.12.2009

OGH: Zunächst ist im Exekutionsverfahren nicht maßgebend, was der Verpflichtete nach dem Gesetz zu leisten hätte, sondern nur, wozu er im Titel verpflichtet wurde. Dabei hat sich das Exekutionsgericht streng an den Wortlaut des Exekutionstitels zu halten. Es kommt auf den Sinn der Worte an, wie er ihnen gewöhnlich beigelegt wird.

Das Exekutionsbewilligungsgericht hat den Spruch nur auszulegen, aber daraus keine weiteren Ansprüche abzuleiten; jede verbleibende Unklarheit geht zu Lasten des Betreibenden. Die äußerste Grenze der Auslegung von Exekutionstiteln bildet aber die Art der geschuldeten Leistung.

Ergibt sich daher aus dem Wortlaut des Spruches des den Exekutionstitel bildenden Beschlusses kein wie immer gearteter Hinweis darauf, dass unter "Einsicht" auch das Anfertigen von Kopien von Belegen zu verstehen wäre, so würde die Einbeziehung dieser Duldungsverpflichtung gerade zur Ableitung eines weiteren Anspruches aus dem Titel führen. Ob sich aus dem materiellen Recht anderes ergäbe, kann dahingestellt bleiben; die zusätzliche Pflicht hätte eben in den Exekutionstitel aufgenommen werden müssen.

Es ist nicht Aufgabe des Exekutionsverfahrens oder eines nachfolgenden Oppositionsprozesses, die titulierte Verpflichtung über den Wortlaut des Exekutionstitels hinaus auszuweiten. Zudem darf es weder zu einer Verlagerung des Rechtsstreites über den Inhalt des Anspruches in das Exekutionsverfahren, noch in ein nachfolgendes Oppositionsverfahren kommen. Wegen dieser Verteilung der Aufgaben zwischen Titel- und Vollstreckungsverfahren ist eine bloß implizite, nicht im Titel genannte, wohl aber zu vollstreckende Nebenpflicht abzulehnen. Vielmehr muss - zumindest grundsätzlich - bereits nach dem Titel klar sein, wie weit die (Duldungs-)Verpflichtung reicht.

Hält sich die verpflichtete Partei daran nicht, so ist es sachgerecht, ihr das Risiko eines Exekutionsverfahrens und anschließenden Oppositionsprozesses zuzuweisen. Das Bestehen einer über das Einsichtsrecht hinausgehenden Verpflichtung zur Duldung der Herstellung von Kopien kann nicht auch erst im Oppositionsverfahren geprüft werden.