10.06.2010 Verfahrensrecht

OGH: Zur Frage, ob eine (Unterhalts-)Oppositionsklage unter Art 22 Z 5 EuGVVO fällt

Eine Oppositionsklage, mit der geänderte Verhältnisse des Unterhaltspflichtigen behauptet werden, ist nicht vom Anwendungsbereich des Art 22 Z 5 EuGVVO erfasst; anderes gilt hingegen für eine Oppositionsklage, die auf den Einwand der geleisteten Zahlung gestützt wird


Schlagworte: Europäisches Zivilprozessrecht, Zuständigkeit, Zwangszuständigkeit, ausschließliche Zuständigkeit, Exekutionsverfahren, Oppositionsklage
Gesetze:

Art 22 Z 5 EuGVVO, Art 2 EuGVVO, Art 5 Z 2 EuGVVO, § 35 EO

GZ 3 Ob 12/10a, 24.03.2010

OGH: Für Verfahren, die die Zwangsvollstreckung aus Entscheidungen zum Gegenstand haben, sind gem Art 22 Z 5 EuGVVO (ohne Rücksicht auf den Wohnsitz) die Gerichte des Mitgliedstaates, in dessen Hoheitsgebiet die Zwangsvollstreckung durchgeführt werden soll oder durchgeführt worden ist, ausschließlich zuständig.

Von Art 22 Z 5 EuGVVO sind im Allgemeinen solche Verfahren erfasst, die die Durchsetzung von Ansprüchen auf Grundlage eines bereits bestehenden, in einem vorangegangenen Erkenntnisverfahren erwirkten Titels betreffen. Dabei sind gegen die Zwangsvollstreckung als solche gerichtete Abwehrschritte des Vollstreckungsschuldners oder Dritter einzubeziehen.

Ob ein Verfahren unter Art 22 Z 5 EuGVVO zu subsumieren ist, hängt von seiner (sog) Vollstreckungsnähe ab.

Das einer aufgrund nachträglicher Sachverhaltsänderungen erhobenen Oppositionsklage (§ 35 EO) stattgebende Urteil greift den Anspruch selbst an. Daher wirkt es nicht nur für die Anlassexekution, sondern über diese hinaus. Es bewirkt eine Änderung des im Exekutionstitel verfügten materiellen Rechtsanspruches: Der Verpflichtete kann das gänzliche oder teilweise Erlöschen eines vollstreckbaren Unterhaltsanspruches geltend machen. Nach der Kombinationstheorie handelt es sich bei der Einstellung der Anlassexekution nach § 35 Abs 4 EO nur um die Folge des dem Klagebegehren stattgebenden Urteiles, nicht aber um den ausschließlichen Zweck der Klage.

Ließe man eine Berücksichtigung von geänderten Umständen in einem Verfahren des Vollstreckungsstaates zu, so würde der Schutzgedanke des Art 5 Z 2 EuGVVO, der einen Klägergerichtsstand des Unterhaltsberechtigten schafft, unterlaufen. Eine Oppositionsklage, mit der eine seit Titelschaffung eingetretene Veränderung der Verhältnisse geltend gemacht wird, fällt daher nicht in den Anwendungsbereich des Art 22 Z 5 EuGVVO. Die Oppositionsklage steht insofern nicht im geforderten engen Zusammenhang mit dem Exekutionsverfahren. Die Frage, ob der festgesetzte Unterhalt noch der materiellen Rechtslage entspricht oder wegen geänderter Verhältnisse neu festzusetzen ist, ist vor einem nach Art 2, 5 Z 2 EuGVVO zuständigen Gericht zu prüfen.

Anderes gilt für den Oppositionsgrund der geleisteten Zahlung: Eine darüber absprechende Entscheidung greift nicht in den Titel an sich ein. Der Umstand, dass das Oppositionsurteil im Fall der Zahlung darüber abspricht, dass der titulierte Anspruch (nicht mehr) besteht, stellt den ursprünglichen Bestand des Titels nicht in Frage (siehe auch § 35 Abs 1 EO). Durch den Zahlungseinwand wird nicht der Weiterbestand des Unterhaltstitels an sich berührt, sondern nur aufgrund der Zahlung das Erlöschen eines im Exekutionsverfahren betriebenen Anspruches auf Unterhaltsrückstände ausgesprochen. Es wird daher lediglich geprüft, ob das im Titel vorgeschriebene Verhalten gesetzt wurde.

Beim Oppositionsurteil, das einen Zahlungseinwand behandelt, wird - ausgehend von der zweigliedrigen Streitgegenstandstheorie - nur darüber mit Rechtskraftwirkung abgesprochen, dass der Anspruch wegen der geleisteten Zahlung nicht mehr besteht.

Der Einwand der geleisteten Zahlung ist geradezu typisch vollstreckungsnah. Es wäre kaum sachgerecht, wenn der Verpflichtete seinen Anspruch auf Beendigung der Exekution und auf Feststellung des Erlöschens des Anspruches des Gläubigers vor das nach Art 2 bzw Art 5 Z 2 EuGVVO zuständige Gericht tragen müsste, das eine in einem ausländischen Exekutionsverfahren erfolgte Zahlung zu prüfen hätte.