15.07.2010 Verfahrensrecht

OGH: Zur Frage, ob einem mit der Geschäftsführung einer OG betrauten Dritten oder einem Prokuristen Parteistellung iSe einheitlichen Streitpartei im Zustimmungsverfahren zu seiner Abberufung bzw zur Einschränkung der ihm erteilten Prokura zukommt

Richtig ist, dass ein stattgebendes Urteil durch die Beeinflussung der Willensbildung bzw des Verhaltens der beklagten Gesellschafter mittelbare Auswirkungen auf den Arbeitsvertrag des Prokuristen haben würde; solche mittelbaren Auswirkungen können aber die Annahme einer einheitlichen Streitpartei iSd § 14 ZPO nicht rechtfertigen


Schlagworte: Einheitliche Streitpartei, Gesellschaftsrecht, Geschäftsführung, Dritter, Prokurist, Zustimmungsverfahren zur Abberufung / Einschränkung der Prokura, Gesellschafter
Gesetze:

§ 14 ZPO

GZ 8 Ob 130/09i, 19.05.2010

Sowohl die klagende als auch die beklagten Parteien sind unbeschränkt haftende Gesellschafter OG.

Die Klägerin begehrt, die Beklagten schuldig zu erkennen, ab sofort die Ausübung der Geschäftsführung der Klägerin in der OG durch einen geschäftsführenden Gesellschafter oder einen schriftlich bevollmächtigten Angestellten der Klägerin zu dulden und es zu unterlassen, sie in ihrem Recht auf ungestörte Geschäftsführung zu behindern. Mit ihrem ersten Eventualbegehren begehrt die Klägerin, die Beklagten schuldig zu erkennen, der sofortigen Abberufung des Prokuristen als alleinigem Leiter der OG aus wichtigen Gründen zuzustimmen. Mit einem zweiten Eventualbegehren begehrt die Klägerin die Beklagten schuldig zu erkennen, der Einschränkung der dem Prokuristen von der OG erteilten Einzelprokura auf eine Gesamtprokura aus wichtigen Gründen zuzustimmen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Ein stattgebendes Urteil wirke sich direkt auf den Prokuristen aus, weil es eine ihm allenfalls eingeräumte alleinige Leitungsbefugnis einschränken würde. Es liege daher eine einheitliche Streitpartei gem § 14 ZPO vor, sodass es den Beklagten mangels Einbindung des Prokuristen an der Passivlegitimation fehle.

OGH: Eine einheitliche Streitpartei liegt gem § 14 Satz 1 ZPO dann vor, wenn sich die Wirkung des zu fällenden Urteils kraft der Beschaffenheit des streitigen Rechtsverhältnisses oder kraft gesetzlicher Vorschrift auf sämtliche Streitgenossen erstreckt. Eine einheitliche Streitpartei liegt auch vor, wenn das materielle Recht gebietet, die Klage für oder gegen alle übrigen Partner zu erheben (notwendige Streitgenossenschaft). Dies ist dann der Fall, wenn für sämtliche Streitgenossen aus der Einheitlichkeit des rechtserzeugenden Sachverhalts ein gemeinsames Begehren abgeleitet wird, wenn die Kläger nur gemeinschaftlich über den strittigen Anspruch verfügen können oder wenn das allen Streitgenossen gemeinschaftliche Rechtsverhältnis seiner Natur nach nur gegen oder für alle einheitlich festgestellt oder gestaltet werden kann. Bei schuldrechtlichen Verhältnissen ist eine einheitliche Streitpartei im Zweifel anzunehmen, wenn wegen Nichterfassung aller Beteiligten die Gefahr unlösbarer Verwicklungen durch divergierende Einzelentscheidungen besteht.

Die einheitliche Streitpartei iSd § 14 ZPO ist insofern ein Sonderfall der Streitgenossenschaft, als hier nicht wie in den anderen Fällen der Streitgenossenschaft eine subjektive Klagenhäufung vorliegt, sondern vielmehr über ein einheitliches Rechtsverhältnis entschieden wird, sodass aus diesem Grund die Personenmehrheit als einheitliche Partei aufgefasst werden soll.

Unstrittig ist der Prokurist nicht organschaftlicher Geschäftsführer sondern Arbeitnehmer der OG. Sowohl das Hauptbegehren der Klägerin als auch ihre Eventualbegehren sind nicht auf die unmittelbare Beeinflussung seines Arbeitsvertrags (entweder in Form seiner Beendigung oder seiner Änderung) gerichtet, sondern zielen auf die gesellschaftsinterne Willensbildung der Gesellschafter im Hinblick auf den Arbeitsvertrag ab. Die Beklagten sollen zu einem Verhalten verpflichtet werden, das in weiterer Folge Auswirkungen (welche auch immer) auf den Arbeitsvertrag des Prokuristen haben würde. Demgemäß kann ein Urteil, mit dem einem der Begehren stattgegeben wird, keine unmittelbare rechtliche Wirkung auf den Arbeitsvertrag entfalten. Richtig ist lediglich, dass ein stattgebendes Urteil durch die Beeinflussung der Willensbildung bzw des Verhaltens der Beklagten mittelbare Auswirkungen auf den Arbeitsvertrag des Prokuristen haben würde. Solche mittelbaren Auswirkungen können aber die Annahme einer einheitlichen Streitpartei iSd § 14 ZPO nicht rechtfertigen.