15.07.2010 Verfahrensrecht

OGH: Vertraulichkeit der Einkommens- und Vermögensverhältnisse gem § 141 AußStrG - zur Frage, ob der Erbe des Betroffenen mit dem Pflegebefohlenen iSd § 141 AußStrG (in vermögensrechtlicher Hinsicht) gleichzusetzen (und damit die frühere Judikatur weiterhin anzuwenden) ist

Der Erbe des Betroffenen hat nach der maßgeblichen Rechtsnorm des § 219 Abs 1 ZPO iVm § 22 AußStrG, dem § 141 AußStrG nicht entgegensteht, ein Recht auf Akteneinsicht in den Sachwalterschaftsakt, soweit dieser Einkommens- und Vermögensangelegenheiten betrifft


Schlagworte: Außerstreitverfahren, Pflegebefohlener, Vertraulichkeit der Einkommens- und Vermögensverhältnisse, Erbe, Recht auf Akteneinsicht
Gesetze:

§ 141 AußStrG, § 22 AußStrG, § 219 ZPO, § 547 ABGB

GZ 3 Ob 17/10m, 28.04.2010

Der Nachlass des Betroffenen wurde mit Beschluss des Erstgerichts vom 7. August 2009 dem nunmehrigen Antragsteller als einzigem Erben eingeantwortet. Dieser beantragte, seinen bevollmächtigten Vertretern in den Sachwalterschaftsakt Einsicht zu gewähren, insbesondere in die Abrechnungen der bestellten Sachwalterin.

Das Erstgericht wies diesen Antrag mit Hinweis auf § 141 AußStrG ab. Der Erbe gehöre nicht zu jenen Personen oder Stellen, denen Auskünfte erteilt werden dürften. Die ältere Rsp erscheine durch diese neue Bestimmung überholt.

OGH: Mit dem AußStrG 2005 wurde jene Rsp, wonach in Verfahren außer Streitsachen § 219 ZPO sinngemäß anzuwenden sei, dadurch kodifiziert, dass nach § 22 AußStrG ua die Bestimmungen der ZPO über Akten sinngemäß anzuwenden sind. Demnach hat der OGH schon wiederholt ausgesprochen, dass es insofern durch das neue Außerstreitrecht zu keiner Änderung der Rechtslage gekommen ist. Soweit nicht § 141 AußStrG zu einer anderen Beurteilung nötigt, was, wie zu zeigen sein wird, nicht der Fall ist, kann daher die bisherige Rsp fortgeführt werden. Wie nun der OGH schon mehrmals ausgesprochen hat, gehen die Rechte des durch eine Sachwalterschaft Betroffenen auf seinen Erben über und diesem ist ein rechtliches Interesse zuzubilligen, in die Rechnung des Sachwalters Einsicht zu nehmen. In der E 4 Ob 2316/96a vertrat der OGH unter Berufung auf § 547 ABGB, wonach der Erbe in Rücksicht auf die Erbschaft den Erblasser vorstelle und beide in Beziehung auf einen Dritten für eine Person gehalten würden, die Auffassung, das Sachwalterschaftsverfahren ende mit dem Tod des Betroffenen, weshalb dessen Alleinerbe nicht in das Verfahren eingetreten sei. Dennoch seien die Rechte des Betroffenen auf den Alleinerben übergegangen und schon allein daraus folge das rechtliche Interesse daran, in die Rechnung des Sachwalters Einsicht zu nehmen, selbst wenn er keine Behauptungen über ein rechtliches Interesse an der Akteneinsicht aufstelle. Das bedeutet wohl, dass nach dieser Entscheidung § 219 Abs 1 ZPO sinngemäß anzuwenden ist, der für die Akteneinsicht der Parteien gilt.

Nach Auffassung des erkennenden Senats ist hier der zitierten Entscheidung des 4. Senats zu folgen, weil wegen der Universalsukzession des (hier) Alleinerben in die Rechtsstellung des Erblassers auch dessen Rechte als Partei auf ihn übergehen. Demnach ist grundsätzlich § 219 Abs 1 ZPO iVm § 22 AußStrG die für die Akteneinsicht, was die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Erblassers betrifft, maßgebliche Rechtsnorm. Insoweit kam es ja zur Universalsukzession und es gibt keinen sachlichen Grund, den Alleinerben insoweit als Dritten zu behandeln.

Nach Graf schränkt § 141 AußStrG die Akteneinsicht im Sachwalterschaftsverfahren für Dritte ein. Überhaupt gelangt sie zur Auffassung, dass im Anwendungsbereich von § 141 AußStrG Dritten grundsätzlich kein Recht auf Akteneinsicht zustehe (allenfalls mit der Ausnahme, wenn diese zur Wahrung der Interessen des Pflegebefohlenen Einsicht nehmen wollen). Dieser Ansicht ist zu folgen, weil der Zweck der Geheimhaltung der von § 141 AußStrG erfassten Daten, die keine Ausnahme kennt, vereitelt würde, wenn über die Möglichkeit der Akteneinsicht das Geheimzuhaltende doch wiederum an Dritte offenbart werden könnte.

Da aber der Erbe, was vermögensrechtliche Belange angeht, nicht Dritter iSd § 219 ZPO ist, sondern in die Rechte des Betroffenen im Sachwalterschaftsverfahren eingetreten ist, besteht ihm gegenüber kein Bedürfnis auf Geheimhaltung, ist er doch Universalsukzessor aller Vermögensrechte des Betroffenen.

Daraus folgt aber, dass der Erbe des Betroffenen ein Recht auf Akteneinsicht in den Sachwalterschaftsakt hat, soweit dieser Einkommens- und Vermögensangelegenheiten betrifft. Dem steht § 141 AußStrG nicht entgegen.

Einer ausdrücklichen Bewilligung der Akteneinsicht auch für Bevollmächtigte des Erben bedarf es nicht, weil die Akteneinsicht stets auch durch Bevollmächtigte wahrgenommen werden kann.