22.07.2010 Verfahrensrecht

OGH: Zur Frage, ob der Käufer einer im Konkurs festgestellten Forderung zur Einbringung der Wiederaufnahmsklage gegen die Feststellung der Konkursforderung eines anderen Gläubigers aktiv legitimiert ist

Im Fall des Erwerbs einer Forderung nach Konkurseröffnung tritt der Erwerber grundsätzlich in den Konkursteilnahmeanspruch des vormaligen Gläubigers ein; § 234 ZPO ist insoweit nicht anzuwenden; der Erwerber einer Forderung ist daher auch zur Erhebung einer Wiederaufnahmsklage gegen eine vor dem Erwerb seiner Forderung erfolgte Feststellung einer Konkursforderung iSd § 109 KO (nun IO) legitimiert, sofern sein Rechtsvorgänger zur Bestreitung der Forderung berechtigt war


Schlagworte: Insolvenzrecht, Wiederaufnahme, Erwerb einer Forderung nach Konkurseröffnung, Prüfung, Aktivlegitimation
Gesetze:

§ 530 ZPO, § 108 IO, § 109 IO

GZ 8 Ob 78/09t, 22.04.2010

OGH: Der OGH hat bereits auf die stRsp verwiesen, wonach die Vorschriften über die Wiederaufnahmsklage auf die konkursmäßige Feststellung von Forderungen gem §§ 108, 109 KO analog anzuwenden sind. Gem § 543 ZPO ist die Wiederaufnahmsklage auch dann mit Beschluss zurückzuweisen, wenn sich erst nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergibt, dass die Klage schon im Vorprüfungsverfahren nach § 538 ZPO zurückzuweisen gewesen wäre. Auch über die Einrede der mangelnden Aktivlegitimation, die im Fall einer Wiederaufnahmsklage eine Zulässigkeitsvoraussetzung ist, ist daher mit Beschluss zu entscheiden.

Die Wiederaufnahmsklage steht trotz ihrer selbständigen Gestaltung in einem unlösbaren Konnex mit dem Vorverfahren. Die Klagelegitimation für die Wiederaufnahmsklage als Rechtsmittelklage entspricht daher vollständig der Rechtsmittellegitimation im Vorverfahren, aktiv und passiv legitimiert sind die Parteien des Vorverfahrens oder deren Gesamtrechtsnachfolger. Während des - hier noch nicht abgeschlossenen - Konkursverfahrens sind der Masseverwalter und alle zur Bestreitung der Forderung berechtigten Gläubiger zur Erhebung der Wiederaufnahmsklage legitimiert.

Nach der Rsp zum streitigen Zivilverfahren kommt dem Einzelrechtsnachfolger keine Aktivlegitimation zur Erhebung einer Wiederaufnahmsklage zu, dies weder im Fall des Rechtsübergangs vor Schluss der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz noch danach (Irrelevanztheorie). Diese Rsp wird, soweit sie sich auf die Einbringung einer Wiederaufnahmsklage zur Wiederaufnahme eines streitigen Verfahrens bezieht, von der Revisionsrekurswerberin nicht bestritten.

Davon unterscheidet sich der hier zu beurteilende Sachverhalt, in dem es um die konkursmäßige Feststellung von Forderungen gem den §§ 108, 109 KO geht. Eine Forderung gilt im Konkurs gem § 109 Abs 1 KO als festgestellt, wenn sie vom Masseverwalter anerkannt und von keinem der hierzu berechtigten Konkursgläubiger bestritten wird. Wurde eine Forderung im Konkurs derart festgestellt, so hat dies nach § 109 KO die Wirkung einer rechtskräftigen Entscheidung. Mit der Forderungsfeststellung ist daher das Vorverfahren - iSd analogen Anwendung des § 530 ZPO - "abgeschlossen".

Das Verfahren der Forderungsfeststellung ist aber kein streitiges Vorverfahren iSd ZPO, sondern Teil des Konkursverfahrens. Im Konkursverfahren ist ein nach diesem Zeitpunkt erfolgter Forderungsübergang aber beachtlich, weil § 234 ZPO insoweit nicht anzuwenden ist. Im Konkursverfahren gilt der materielle Parteibegriff. Im Fall des Erwerbes einer Forderung nach Konkurseröffnung tritt der Erwerber grundsätzlich in den Konkursteilnahmeanspruch des vormaligen Gläubigers ein. Denn im Konkursverfahren steht (wie auch im Exekutionsverfahren) die endgültige (teilweise) Befriedigung des Gläubigers im Vordergrund. Dieser Umstand macht es notwendig, die Rechtsnachfolge auf Gläubigerseite grundsätzlich als beachtlich anzusehen.

§ 234 ZPO kann daher hier schon deshalb keine "Weiterwirkung" über ein Verfahrensende hinaus in das Wiederaufnahmsverfahren haben, weil diese Bestimmung im Forderungsfeststellungsverfahren nach der KO (nun IO) nicht zur Anwendung gelangt. Ein Forderungsübergang nach Konkurseröffnung und vor Einbringung der Wiederaufnahmsklage ist daher für die Beurteilung der Aktivlegitimation der Klägerin beachtlich.

Der dagegen erhobene Einwand, diese Auffassung führe zu einer unterschiedlichen Behandlung der Forderungsfeststellung, je nachdem, ob sie nach den Regeln der §§ 108, 109 KO oder im Rahmen eines streitigen Prüfungsprozesses erfolge, überzeugt nicht. Richtig ist, dass § 234 ZPO nach herrschender Meinung nach Einleitung eines Prüfungsprozesses anwendbar ist. Zwischen den beiden Fällen der Wiederaufnahme einer Forderungsfeststellung bestehen jedoch erhebliche Unterschiede:

Hatte das Vorverfahren die konkursmäßige Feststellung von Forderungen gem §§ 108, 109 KO zum Gegenstand, so richtet sich das Klagebegehren der Wiederaufnahmsklage nur auf Aufhebung der konkursgerichtlichen Feststellung einer Forderung. Ein Erneuerungsverfahren vor dem Prozessgericht findet in diesem Fall nicht statt. Im Fall des Erfolgs der Klage fällt die Forderungsfeststellung weg, sodass die Konkursforderung als iSd § 110 Abs 1 KO streitig geblieben anzusehen ist. Die - neuerliche - Prüfung der Konkursforderung ist daher nicht Gegenstand des Wiederaufnahmsverfahrens, sondern allenfalls eines nachfolgenden Prüfungsprozesses.

Findet hingegen die Prüfung einer Konkursforderung nach Bestreitung durch den Masseverwalter in einem Prüfungsprozess statt und erfolgt der Rechtsübergang erst nach dessen Einleitung, so ist ein allfälliges Wiederaufnahmsverfahren nicht in gleicher Weise eingeschränkt, sodass auch ein Erneuerungsverfahren durchzuführen ist. Das Ziel der Wiederaufnahmsklage ist dann nicht bloß der Wegfall einer Forderungsfeststellung, sondern im Ergebnis die Beendigung eines schon eingeleiteten Prüfungsprozesses.

Nach Abschluss des Wiederaufnahmsverfahrens zur Aufhebung der Feststellung einer Konkursforderung gem §§ 108, 109 KO wäre aufgrund der Nichtanwendbarkeit des § 234 ZPO im Konkursverfahren in einem nachfolgenden Prüfungsverfahren jedenfalls der Erwerber der Forderung Verfahrenspartei. Aber auch nach Beendigung eines Prüfungsprozesses und eines allfällig mit ihm im Zusammenhang geführten Wiederaufnahmsverfahrens kämen im weiteren Konkursverfahren die Konkursteilnahmerechte aus eben diesem Grund dem Erwerber der Forderung zu. Die hier vertretene Lösung ist daher systemkonform; ein Wertungswiderspruch ist darin nicht zu erkennen.

Dem Argument der Beklagten, die KO wolle einen "Handel mit Konkursforderungen" vermeiden, der dem Gemeinschuldner auf Umwegen zu Bestreitungsmöglichkeiten verhelfen könnte, kommt hier schon deshalb keine Berechtigung zu, weil zwar nicht im Wiederaufnahmsverfahren, wohl aber im (nachfolgenden oder vorangehenden) Prüfungsverfahren jedenfalls der Bestand der Konkursforderung inhaltlich geprüft wird. Die Konsequenz einer allfälligen Verzögerung des Konkursverfahrens durch Prüfung strittiger Forderungen in einem gesonderten streitigen Verfahren wird vom Gesetzgeber, wie sich aus den §§ 110 ff KO ergibt, zur Erlangung höherer Rechtssicherheit in Kauf genommen.