22.07.2010 Verfahrensrecht

OGH: Zur Frage, ob einer Partei, die sich im Rechtsmittelweg erfolgreich gegen die zu ihren Lasten erfolgte Streitanmerkung zur Wehr setzt, gem § 78 Abs 2 AußStrG ein Kostenersatzanspruch gegenüber dem Antragsteller zusteht

Der erkennende Senat schließt sich jedenfalls für die Fälle der Streitanmerkung jener Auffassung an, die eine Verfolgung "entgegengesetzter Interessen" iSd § 78 Abs 2 AußStrG auch in Konstellationen annimmt, in denen diese erst im Rechtsmittelverfahren zutage treten, weil der durch eine Bewilligung des Antrags belastete Antragsgegner am (einseitigen) Verfahren erster Instanz nicht beteiligt war


Schlagworte: Außerstreitrecht, Grundbuchsverfahren, Rechtsmittel, Streitanmerkung, Kostenersatz
Gesetze:

§ 75 GBG, § 78 GBG, § 61 GBG

GZ 1 Ob 56/10g, 05.05.2010

OGH: In der Rsp des OGH wird auch nach dem Inkrafttreten des neuen AußStrG im Grundbuchsverfahren ein Kostenersatzanspruch des im Rechtsmittelweg erfolgreichen Antragsgegners überwiegend verneint. Dies wird im Wesentlichen damit begründet, dass das Grundbuchsverfahren nicht für die Durchsetzung oder Abwehr widerstreitender Parteiinteressen konzipiert sei, was sich schon aus der Einseitigkeit des Rechtsmittelverfahrens ergäbe; damit fehle die in § 78 AußStrG vorausgesetzte Basis einer Kostenersatzpflicht, weshalb es trotz der allgemeinen Verweisung des § 75 Abs 2 GBG auf die Vorschriften des AußStrG dabei zu bleiben habe, dass im Grundbuchsverfahren ein Kostenersatz nicht stattfinde. Über den Antrag auf Bewilligung einer Streitanmerkung sei auch dann, wenn er im Zuge eines Rechtsstreits beim Prozessgericht gestellt wird, im Grundbuchsverfahren nach den Vorschriften des GBG zu entscheiden, weshalb für den Revisionsrekurs kein Kostenersatz zustehe.

Demgegenüber vertritt das LG St Pölten die Auffassung, im Rechtsmittelverfahren über den Antrag auf Streitanmerkung bestehe seit Inkrafttreten des neuen AußStrG ein Kostenersatzanspruch. Das Verfahren über den Antrag auf Streitanmerkung sei zwar ein Grundbuchsverfahren, aber auch ein Annex des kontradiktorischen Streitverfahrens, weshalb das Erfolgsprinzip des § 78 AußStrG angewendet werden könne.

Für das - ebenfalls einseitige - Firmenbuchverfahren wurde jüngst judiziert, dass der Antragsteller gem § 78 AußStrG (iVm § 15 Abs 1 FBG) kostenersatzpflichtig werde, wenn eine antragsgemäß bewilligte Eintragung im Rekursweg beseitigt wird.

Der erkennende Senat schließt sich jedenfalls für die Fälle der Streitanmerkung jener Auffassung an, die eine Verfolgung "entgegengesetzter Interessen" auch in Konstellationen annimmt, in denen diese erst im Rechtsmittelverfahren zutage treten, weil der durch eine Bewilligung des Antrags belastete Antragsgegner am (einseitigen) Verfahren erster Instanz nicht beteiligt war. Dies entspricht auch den erkennbaren Zielen des § 78 Abs 2 AußStrG, der grundsätzlich Kostenersatz - bzw den Ersatz der durch den Widerstand verursachten Zusatzkosten - im Falle des Aufeinandertreffens von Verfahrensbeteiligten mit gegenläufigen Interessen entsprechend dem letztlich feststellbaren Erfolg der einen bzw der anderen Partei statuieren will. In den Gesetzesmaterialien wird zudem betont, dass die widerstreitenden Interessen nicht einmal in Verfahrenshandlungen ihren Niederschlag finden müssen: Durch die Formulierung "entgegengesetzte Interessen verfolgt haben" sei die Regelung nicht nur brauchbar, wenn die Gegenseite verfahrensintern entgegengesetzte Anträge gestellt habe, sondern auch dann, wenn sie außergerichtlich den Anspruch gefährdete, und sei es auch durch bloße Nichterfüllung. Im Ergebnis sei Kostenersatz in nahezu allen Verfahren möglich, soweit er dort nicht ausgeschlossen oder eingeschränkt werde. Können sich nun nach den Vorstellungen des Gesetzgebers "entgegengesetzte Interessen" sogar durch bloß außerprozessuales Verhalten manifestieren, muss dies umso mehr für eine Verfahrenskonstellation gelten, in der eine Verfahrenspartei durch einen (vom Gericht bewilligten) Antrag in die Rechtssphäre der anderen eingegriffen und letztere sich dagegen im Rechtsmittelweg zur Wehr gesetzt hat. Ist sie mit dieser Rechtsverteidigungsmaßnahme erfolgreich, soll ihr der Verfahrensgegner, der die Rechtsmittelkosten durch seine ungerechtfertigte Antragstellung verursacht hat, diese auch ersetzen.

Sollte die Zweitbeklagte mit ihrem - vom Rekursgericht nunmehr meritorisch zu behandelnden - Rekurs durchdringen, wäre ihr somit gem den §§ 75 Abs 2 GBG, 78 Abs 2 AußStrG der Ersatz ihrer Rechtsmittelkosten zuzuerkennen. Nachdem ein Rechtsmittelerfolg derzeit noch nicht feststeht, ist ein Kostenvorbehalt auszusprechen.