29.07.2010 Verfahrensrecht

OGH: ZustellG - Ersatzempfänger bei Zweifamilienhaus und Empfänger bei Namensgleichheit und identer Anschrift

In einem Zweifamilienhaus sind nur jene Personen Ersatzempfänger, die in derselben Wohnung wie der Empfänger wohnen; aus der Bezeichnung des "Empfängers" einer Sendung muss zweifelsfrei erkennbar sein, für wen sie bestimmt ist; fehlt eine solche hinreichende Individualisierung, weil zufolge Namensgleichheit und identer Anschrift die angeführten Merkmale auf mehrere Personen zutreffen, so hat weder die Hinterlegung einer solchen Sendung noch die Verweigerung ihrer Annahme die Wirkung einer Zustellung


Schlagworte: Zustellrecht, Ersatzzustellung, Ersatzempfänger, Abgabestelle, Empfänger, Namensgleichheit, idente Anschrift
Gesetze:

§ 16 ZustellG, § 2 Z 4 ZustellG, § 7 ZustellG

GZ 6 Ob 31/10t, 19.05.2010

Der antragsgemäß erlassene Zahlungsbefehl, der am Kuvert den Beklagten nur namentlich mit Adresse ohne weitere Angaben bezeichnet, wurde am 15. 7. 2009 von Maria R, der Mutter des Beklagten, als Mitbewohnerin an der Abgabestelle übernommen.

Der Beklagte bringt vor, seine Mutter sei davon ausgegangen, dass das übernommene Stück an ihren Gatten mit gleichem Namen wie der Beklagte gerichtet gewesen sei. Er wohne zwar im selben Haus wie seine Mutter, nicht aber in derselben Wohnung, geschweige denn im selben Hausverband, weshalb seine Mutter keine taugliche Ersatzempfängerin sei.

OGH: Dem erstmals im Revisionsrekurs erstatteten Tatsachenvorbringen steht im amtswegigen Verfahren zur Überprüfung einer Zustellung das Neuerungsverbot nicht entgegen.

Gem § 2 Z 4 ZustellG ist (im hier maßgeblichen Zusammenhang) unter der Abgabestelle die Wohnung oder sonstige Unterkunft zu verstehen. Würde man das im Revisionsrekurs erstattete Vorbringen zugrunde legen, hätten der Beklagte und seine Mutter nicht dieselbe Abgabestelle, weil sie nicht in derselben Wohnung wohnten, weshalb die Mutter des Beklagten keine taugliche Ersatzempfängerin iSd § 16 Abs 2 ZustellG wäre und die Zustellung nichtig wäre. In einem Zweifamilienhaus sind nur jene Personen Ersatzempfänger, die in derselben Wohnung wie der Empfänger wohnen.

Selbst unter Außerachtlassung des neuen Vorbringens im Revisionsrekurs stünde die Gültigkeit der Zustellung nicht fest: Aus der Bezeichnung des "Empfängers" einer Sendung muss zweifelsfrei erkennbar sein, für wen sie bestimmt ist. Fehlt eine solche hinreichende Individualisierung, weil zufolge Namensgleichheit und identer Anschrift die angeführten Merkmale auf mehrere Personen zutreffen, so hat weder die Hinterlegung einer solchen Sendung noch die Verweigerung ihrer Annahme die Wirkung einer Zustellung.

Diese Fälle einer unwirksamen Zustellung im Fall von Namensgleichheit und identer Adresse sind um den hier vorliegenden Fall der Zustellung an den Ersatzempfänger zu erweitern, es wäre denn, das zuzustellende Stück wäre dem Empfänger (hier dem Beklagten) tatsächlich zugekommen (§ 7 ZustellG), was hier aber nicht der Fall war.

Dass an derselben Adresse wie der Beklagte auch dessen gleichnamiger Vater wohnt, wurde von den Vorinstanzen nicht festgestellt und vom Kläger auch nicht zugestanden.