05.08.2010 Verfahrensrecht

OGH: Art 6 EMRK auch im Provisorialverfahren anwendbar?

Der EGMR erachtet Art 6 EMRK auch im Provisorialverfahren für anwendbar, sofern eine Entscheidung über "civil rights" vorliegt; die Anforderungen des Art 6 EMRK können trotz Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung erfüllt sein, sofern das Gericht bei unstrittigem Sachverhalt ausschließlich Rechtsfragen oder in hohem Maß technische Fragen zu klären hat


Schlagworte: Exekutionsrecht, Provisorialverfahren, einstweilige Verfügung, Recht auf ein faires Verfahren, civil rights, Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung
Gesetze:

§§ 378 ff EO

GZ 1 Ob 61/10t, 01.06.2010

OGH: In seiner Entscheidung vom 15. 10. 2009, 17056/06 (Micallef gegen Malta) erachtete der EGMR erstmals Art 6 EMRK auch im Provisorialverfahren für anwendbar, sofern eine Entscheidung über "civil rights" vorliegt. Ist Verfahrensgegenstand eine einstweilige Verfügung nach § 382b EO, ist letztere Voraussetzung erfüllt. Ob ein Verstoß gegen Art 6 EMRK darin liegt, dass der Antragsteller nicht im Rahmen einer mündlichen Verhandlung einvernommen wurde, kann im vorliegenden Fall aber dahingestellt bleiben. Die Anforderungen des Art 6 EMRK können nämlich trotz Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung erfüllt sein, sofern das Gericht bei unstrittigem Sachverhalt ausschließlich Rechtsfragen oder in hohem Maß technische Fragen zu klären hat. Die Vorinstanzen hatten lediglich die Rechtsfrage zu lösen, ob sich aus dem Vorbringen Aufhebungsgründe iSd § 399 Abs 1 Z 2 EO ableiten ließen. Da sie diese Frage verneinten, erübrigte sich die Aufnahme von Bescheinigungsmitteln, sodass die Anforderungen der Konvention trotz Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung erfüllt sind. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt nicht vor.