12.08.2010 Verfahrensrecht

OGH: Zur Ablehnung von Richtern gem § 19 JN

Verfahrensmängel können den Anschein der Befangenheit begründen, wenn es sich dabei um schwerwiegende Verstöße gegen Verfahrensgrundsätze handelt, die an der Objektivität des Richters mit Grund zweifeln lassen


Schlagworte: Ablehnung von Richtern, Unbefangenheit, Ablehnungsgründe, Verfahrensmängel
Gesetze:

§ 19 JN, § 21 JN

GZ 10 ObS 83/10v, 22.06.2010

OGH: Die Frage, ob Befangenheit vorliegt, ist bezogen auf den jeweiligen Einzelfall zu beurteilen. Verfahrensmängel können den Anschein der Befangenheit begründen, wenn es sich dabei um schwerwiegende Verstöße gegen Verfahrensgrundsätze handelt, die an der Objektivität des Richters mit Grund zweifeln lassen. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, die telefonische Kontaktaufnahme des Vorsitzenden mit einem Zeugen und dessen telefonische Befragung (anstatt der Vernehmung in der Verhandlung) habe zwar einen Verfahrensverstoß bewirken können, aber keinen so schweren, dass daraus begründet auf eine mangelnde Objektivität geschlossen werden könnte, zumal der Vorsitzende darüber einen Aktenvermerk angelegt habe, woraus das eindeutige Motiv erkennbar geworden sei, die objektive Sachlage auf kurzem Weg abzuklären und nicht in unsachlicher Weise eine Partei zu bevorzugen, ist ebenso vertretbar wie die weitere Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass auch die beruflichen Kontakte des Vorsitzenden zur Beklagtenvertreterin im Rahmen eines von ihm herausgegebenen juristischen Handbuchs für sich allein noch keine Befangenheit begründen.

Schließlich betrifft auch die Frage, ob Befangenheitsgründe im Ablehnungsantrag ausreichend konkret angegeben wurden bzw rechtzeitig geltend gemacht wurden, vorwiegend Umstände des Einzelfalls. Die vom Erstgericht in diesem Zusammenhang vertretene Rechtsansicht, alle dem Klagevertreter in der Tagsatzung am 1. 2. 2010 bekannt gewordenen Befangenheitsgründe hätten von ihm noch in dieser Tagsatzung ausdrücklich als Ablehnungsgründe geltend gemacht werden müssen, ist ebensowenig zu beanstanden wie die weitere Rechtsansicht des Rekursgerichts, es sei auch dem Protokollberichtigungsantrag der Klägerin nicht zu entnehmen, dass sie bzw ihr Vertreter bereits in der Tagsatzung am 1. 2. 2010 über die beiden im Verhandlungsprotokoll ohnehin angeführten Ablehnungsgründe hinaus weitere konkrete Ablehnungsgründe in Bezug auf die Person des Vorsitzenden des in erster Instanz tätigen arbeits- und sozialrechtlichen Senats geltend gemacht hätte.