19.08.2010 Verfahrensrecht

OGH: Abzugsrecht nach § 19 Abs 1 RAO - Anfechtung des Honoraranspruchs

Ein Absonderungsgläubiger, der kongruent, aber in Kenntnis des Konkursantrags befriedigt wird, kann sich nur dann auf seine "geschützte Stellung" als Absonderungsgläubiger berufen und Befriedigungsuntauglichkeit einwenden, wenn das Absonderungsrecht selbst - wäre es mangels Befriedigung noch existent - unanfechtbar wäre; ist das Sicherungsrecht aber anfechtbar, kann die Befriedigung seines Inhabers nicht vor der Anfechtbarkeit schützen


Schlagworte: Insolvenzrecht, Rechtsanwalt, Honoraranspruch, Abzugsrecht, Absonderungsrecht, Anfechtung, Masseforderung
Gesetze:

§§ 27 ff IO, § 19 Abs 1 RAO, § 46 IO, § 10 Abs 2 IO

GZ 3 Ob 55/10z, 26.05.2010

Der beklagte Rechtsanwalt hatte noch vor Konkurseröffnung, nämlich am 11. Jänner 2006, einen Kaufvertrag über den Verkauf einer Liegenschaft der Gemeinschuldnerin errichtet, bei dessen Durchführung er als Treuhänder der Käuferin fungierte. Nach Pkt IV des Kaufvertrags sollte er berechtigt sein, einen nach Abdeckung der Hypothekarverbindlichkeiten auf der Liegenschaft noch verbleibenden Restkaufpreis für Kosten seiner Tätigkeit einzubehalten.

Die Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin trat spätestens mit Anfang 2004 ein und dauerte bis zur Konkurseröffnung an. Der beklagte Rechtsanwalt war bereits im Jahr 2004 in Kenntnis, dass gegen die Gemeinschuldnerin ein Konkurseröffnungsantrag gestellt worden war. Gem Pkt IV 3. Absatz des Kaufvertrags war er als Treuhänder berechtigt und verpflichtet, den erlegten Kaufpreis in Anspruch zu nehmen, wenn sichergestellt war, dass der Kaufpreis zur Erlangung der erforderlichen Löschungsquittungen in Ansehung aller im C-Blatt intabulierten Lasten ausreicht. Nach Erzielung von Forderungsnachlässen konnte er die Lastenfreistellung erreichen, sodass aus dem Kaufpreis 287.535,61 EUR verblieben. Davon überwies der Beklagte 179.699,49 EUR an die Konkursmasse, 107.836,12 EUR behielt er unter Berufung auf Pkt IV des Kaufvertrags ein. Sein Honorar für die Verhandlungen mit den Gläubigern betrug 18.791,56 EUR. Die restlichen 89.044,56 EUR verwendete er zur Tilgung offener Honorarforderungen gegen die Gemeinschuldnerin aus früheren Vertretungsverhältnissen.

Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren statt. Das Erstgericht erachtete die Anfechtungstatbestände nach den §§ 30 Abs 1 Z 1 und § 31 Abs 1 Z 2 erster Fall KO als erfüllt; das Berufungsgericht jedenfalls jenen nach § 31 Abs 1 Z 2 KO.

OGH: Nur Kosten für die vom Masseverwalter selbst oder in dessen Auftrag von einem anderen Rechtsanwalt nach Konkurseröffnung geführten Prozesse sind Masseforderungen. Honoraransprüche des früheren Vertreters des Gemeinschuldners für vor Konkurseröffnung geleistete anwaltliche Tätigkeiten stellen keine Masseforderungen dar. Zu diesen zählen auch nicht die Kosten für die Vertretung des Gemeinschuldners im Konkursverfahren. Die Behauptung, die Tätigkeit des Beklagten habe der Konkursmasse und den Gläubigern zum Vorteil gereicht, vermag die Qualifikation dessen Honoraransprüche als Konkursforderungen nicht zu ändern.

Entscheidend dafür, ob ein Rechtsgeschäft nur im Ganzen anfechtbar ist oder etwa einzelne Bestimmungen herausgegriffen werden können ist, ob sich die Anfechtung gegen einheitliche Wirkungen einer Rechtshandlung richtet oder ob sich die gläubigerbenachteiligenden Folgen einer Rechtshandlung in einzelne voneinander unabhängige, selbständige Teile zerlegen lassen. Die Ansicht des Berufungsgerichts, diese Voraussetzung sei erfüllt, hält sich im Rahmen dieser Rsp. Dass der angefochtene Pkt IV des Kaufvertrags eine selbständige Vertragsbestimmung ist, die eine Teilanfechtung ermöglicht, ergibt sich schon daraus, dass darin - zum Unterschied von den übrigen Vertragsklauseln - nicht das Verhältnis zwischen den Kaufvertragsparteien geregelt wird, sondern jenes zwischen der Verkäuferin (der späteren Gemeinschuldnerin) und dem Beklagten als Vertragserrichter.

Da der Antrag auf Konkurseröffnung für die Anfechtung nach dem §§ 30 f KO Formalvoraussetzung (ein "formaler" Stichtag) ist, ist es gleichgültig, ob zur Zeit des Antrags materielle Insolvenz bereits eingetreten ist oder nicht.

Der Revisionswerber vertritt den Standpunkt, sein Honoraranspruch sei deshalb anfechtungsfest, weil ihm aufgrund des sich aus § 19 Abs 1 RAO ergebenden Zurückbehaltungrechts im Konkurs der Gemeinschuldnerin ein Absonderungsrecht zukomme.

Ein Absonderungsgläubiger, der kongruent, aber in Kenntnis des Konkursantrags befriedigt wird, kann sich nur dann auf seine "geschützte Stellung" als Absonderungsgläubiger berufen und Befriedigungsuntauglichkeit einwenden, wenn das Absonderungsrecht selbst - wäre es mangels Befriedigung noch existent - unanfechtbar wäre. Ist das Sicherungsrecht aber anfechtbar, kann die Befriedigung seines Inhabers nicht vor der Anfechtbarkeit schützen. Auf die Einwendung des Beklagten, infolge § 19 RAO Absonderungsberechtigter zu sein, stand dem Masseverwalter somit die zeitlich unbefristete Gegeneinrede der Anfechtbarkeit auch des Absonderungsrechts zu. Diese Gegeneinrede ist erfolgreich, sofern das Absonderungsrecht - wäre es noch existent - anfechtbar gewesen wäre. Im vorliegenden Anfechtungsprozess gegen die erfolgte Deckung ist demnach die hypothetische Anfechtbarkeit des Zurückbehaltungsrechts zu prüfen. Die erreichte Deckung ist nur dann anfechtungsfest, wenn dies auch für das Absonderungsrecht gilt. Ergibt diese Prüfung aber, dass das - infolge Befriedigung mittlerweile erloschene - Absonderungsrecht anfechtbar wäre, ist der Anfechtungsgegner nur gewöhnlicher Konkursgläubiger und kein Absonderungsgläubiger.

Im vorliegenden Fall erweist sich die innerhalb von 6 Monaten vor der Konkurseröffnung erfolgte rechtsgeschäftliche Einräumung der Sicherstellung in Pkt IV des Kaufvertrags als anfechtbar iSd § 31 Abs 1 Z 2 erster und auch zweiter Fall KO. Dass dem Beklagten die Tatsache des Konkurseröffnungsantrags bekannt war, zieht er nicht in Zweifel. Die Sicherstellung des noch vorhandenen Restbetrags zur Abdeckung älterer Honorarforderungen war für die übrigen Gläubiger objektiv nachteilig, weil diese auf die Konkursquote verwiesen waren, während der Beklagte die sich aus § 19 Abs 1 RAO ergebende Aufrechnungsbefugnis wahrnehmen konnte, um die gänzliche Befriedigung seiner Konkursforderungen zu erlangen. Dass das vom Beklagten rechtsgeschäftlich erworbene Zurückbehaltungsrecht zugleich ein gesetzliches Zurückbehaltungsrecht ist, macht § 31 KO nicht unanwendbar. Erweist sich die Sicherstellung als anfechtbar, ist der Beklagte in Ansehung der Anfechtbarkeit der Befriedigung Konkursgläubiger. Da er nach dem Antrag auf Konkurseröffnung durch eine Rechtshandlung Befriedigung erlangt hat, ist die Befriedigung nach § 31 Abs 1 Z 2 erster Fall KO anfechtbar, darüber hinaus ist wohl auch der Anfechtungstatbestand nach § 31 Abs 1 Z 2 zweiter Fall erfüllt. Eine unverschuldete Unkenntnis des beklagten Anfechtungsgegners von der Insolvenzreife, der Kenntnis vom Antrag auf Konkurseröffung hatte, liegt nicht vor.